Folge 18: Authentisch ausdrücken in Konflikten – Tipps zu Haltung und Sprache

Haltung und Tipps zu den vier Schritten

Gerade im Bezug auf Konflikte ist es mir noch einmal ein besonderes Anliegen, die Haltung hinter den vier Schritten zusammenzufassen, damit GFK nicht als Werkzeug zur Manipulation verwendet wird, sondern als Möglichkeit, eigene Klarheit zu gewinnen und die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, ein wertschätzendes Miteinander zu finden. Um in die jeweilige Haltung zu kommen und sie auch rüberzubringen, zeige ich dir hier noch einmal sprachliche Formulierungen, die häufig aufdecken, in welcher Haltung wir uns befinden und solche, die uns helfen können, in die GFK-Haltung zu kommen. 

GFK lernen ist ähnlich wie das Lernen einer Fremdsprache. Anfangs lernen wir Vokabeln und Grammatik und müssen bei jedem Satz genau nachdenken, wie er gebildet wird. Aber am Ende, wenn wir die Sprache durch viel Üben und Praktizieren wirklich beherrschen, machen wir einfach und denken nicht mehr über Grammatik oder Vokabeln nach – schmeißen vielleicht sogar Regeln wieder über den Haufen, weil wir anfangen, umgangssprachlich zu sprechen, und passen uns immer mehr dem an, wie die Muttersprachler der jeweiligen Sprache natürlicherweise sprechen.

Denk also daran, dass die Sprache und die Form der GFK ein Werkzeug ist, um der entsprechenden Haltung näherzukommen, und sie an sich kein Endziel bildet. Im Gegenteil: umso mehr du die Haltung verinnerlichst, desto gleichgültiger wird es, welche Worte du verwendest. Und da möchten wir Schritt für Schritt hinkommen.

Um dem einen Schritt näherzukommen, gebe ich dir hier ein paar Tipps zu Haltung und Sprache. Sie sind für jeden der vier Schritte aufgeteilt in „Achtung„, wo ich darauf hinweise, wann du NICHT in der GFK-Haltung bist, dann schildere ich unter „GFK-Haltung„, was in der GFK stattdessen die Haltung ausmacht und bei „Tipp“ bekommst du konkrete Hinweise, wie du mit der Sprache deine Haltung erkennen und die Haltung, die du haben magst, bestärken kannst.

1. Wahrnehmung

Achtung:
Ich schildere die Wahrnehmung NICHT, um Recht zu haben oder um dem anderen seinen Fehler aufzuzeigen. Ein „Du hast aber gesagt…“ – „Nein, hab ich nicht!“ – „Doch, hast du!“ zeigt uns, dass wir noch nicht in der offenen, interessierten GFK-Haltung sind, sondern gerade im Recht-Haben feststecken.

GFK-Haltung:
Ich bin offen dafür, dass ich mich entweder irren kann, der andere etwas anderes gehört/gesehen/in Erinnerung hat oder dass ich noch in der Interpretation bin. Mein Ziel ist es, eine gemeinsame Gesprächsbasis zu finden, in der möglichst noch keine Wertung enthalten ist, damit der andere mich auch wirklich hören kann.

Tipp:
Noch leichter fällt diese Haltung, wenn ich nicht sage „Du hast gesagt…“, sondern stattdessen „Ich habe dich sagen hören: …“ oder „Was ich von dir verstanden ist, ist Folgendes: …“ So bin ich noch mehr bei mir und in dem Wissen, der andere kann dennoch etwas anderes gesagt haben. Vielleicht magst du an der Stelle sogar nachfragen, ob dein Gegenüber sich genau so daran erinnert, ehe du zum nächsten Schritt gehst.

2. Gefühle

Achtung:
Ich nenne mein Gefühle NICHT mit dem Gedanken „Und du bist schuld!“ oder mit dem Hinweis, dass das, was der andere getan hat, mich so fühlen lässt. Außerdem hänge ich nicht in der Vergangenheit fest und hole alte Gefühle wieder hervor.

GFK-Haltung:
Ich bin in der Eigenverantwortung. Mir ist klar, dass meine Gedanken und Bedürfnisse mein Gefühl verursachen und mein Gegenüber es nur AUSGELÖST hat. Er hat mich sozusagen darauf hingewiesen, dass da etwas in mir ist, was Erfüllung sucht. Dabei beziehe ich mich auf das Hier und Jetzt, denn nur um die Gefühle, die gerade im Moment lebendig sind, geht es uns in der GFK.

Tipp:
Wenn ich den ersten und den zweiten Schritt kausal (als Begründung) miteinander verbinde, kommt schnell die Haltung rüber, dass der andere für mein Gefühl verantwortlich wäre. Statt also den ersten und den zweiten Schritt zu verbinden, kannst du die Wahrnehmung vorne anstellen und dann das Gefühl kausal mit dem Bedürfnis verbinden. Schau mal, ob du beim Lesen einen Unterschied spüren kannst:

Wahrnehmung und Gefühl gekoppelt (eher nicht in Eigenverantwortung):
Du hast den Geschirrspüler nicht ausgeräumt, (Wahrnehmung)
deshalb bin ich jetzt enttäuscht. (Gefühl)
Ich wünsche mir, dass wir uns an Vereinbarungen halten. (Bedürfnis)

Gefühl mit Bedürfnis gekoppelt (eher in Eigenverantwortung):
Du hast den Geschirrspüler nicht ausgeräumt. (Wahrnehmung)
Hm, ich merk, ich bin da enttäuscht, (Gefühl)
weil mir total wichtig ist, dass wir uns an Vereinbarungen halten. (Bedürfnis)

Formulierungen nach der Wahrnehmung wie „Das macht mich…“ oder „Deswegen bin ich …“ weisen darauf hin, dass du noch in der Haltung bist, der andere hat dein Gefühl verursacht. Versuche dir wirklich klarzumachen, dass dein Bedürfnis der Grund für dein Gefühl ist. Und wenn du in Eigenverantwortung bist, kannst du selbst dafür gehen, dass es dir besser geht – unabhängig von dem, was dein Gegenüber tut. 

3. Bedürfnisse

Achtung:
Bei den Bedürfnissen ist ebenfalls die Eigenverantwortung entscheidend. Ich gehe NICHT davon aus, dass mein Gegenüber für die Erfüllung meines Bedürfnisses verantwortlich ist. Ich gehe am besten NICHT mit absolut leerem Bedürfnis und in großer Not auf den anderen zu, damit er mein Bedürfnis erfüllt. Außerdem achte ich darauf, dass ich NICHT mit dem Fokus im Mangel bin, also mich emotional voll drauf konzentriere, dass das Bedürfnis gerade NICHT erfüllt ist.

GFK-Haltung:
In der GFK-Haltung schaue ich auf die Kraft des Bedürfnisses. Das heißt, ich lenke meinen Fokus darauf, es zu erfüllen, nicht darauf, dass es unerfüllt ist (vom Mangelfokus zum Füllefokus und vom Blick rückwärtig hin zum Blick nach vorne). Außerdem ist mir bewusst, dass es viele Möglichkeiten gibt, mir selbst mein Bedürfnis zu erfüllen oder auch viele andere Möglichkeiten, es zusammen mit meinem Gegenüber zu erfüllen. Ich bleibe neugierig, um einen gemeinsamen Weg zu finden. Ich kann den anderen nur einladen, zu meinem Bedürfnis beizutragen – und er darf die Einladung annehmen oder nicht.

Mein Bedürfnis ist dabei universell und nicht nur in eine Richtung wichtig, sondern in beide. Das heißt, wenn ich mir Respekt wünsche, wünsche ich mir eigentlich einen Raum, in dem wir beide oder Menschen generell respektvoll miteinander umgehen. Wenn ich das nicht so empfinde, hänge ich vielleicht noch in der Strategie fest, dass mein Gegenüber mich jetzt respektieren soll.

Tipp:
Ich formuliere also auch entsprechend so, dass nicht die andere Person einseitig in dem Bedürfnis enthalten ist. Sprich, ich sage nicht, „Ich habe das Bedürfnis, dass DU mir zeigst, dass du mich wertschätzt.“ oder „Ich brauche jetzt DEINE Wertschätzung!“.

Außerdem formuliere ich mein Bedürfnis in die positive Richtung, also nach vorne gerichtet auf die Erfüllung anstatt nach hinten gerichtet auf den Mangel. Sprachlich vermeide ich daher Formulierungen wie „Mir fehlt Wertschätzung!“ oder „Ich kriege nicht genug Wertschätzung!“ oder „Ich werde gar nicht wertgeschätzt!“ (nach hinten gerichtet und auf Mangel fokussiert). Stattdessen formuliere ich positiv, um wirklich die Kraft des Bedürfnisses zu spüren und meine Energie in Richtung Erfüllung statt Mangel zu lenken.

Beispiele für gegenseitige, positiv ausgerichtete Bedürfnisausdrücke:

„Ich merke gerade, wie wichtig mir Wertschätzung ist.“
„Ich wäre gerne in einem Raum voller gegenseitiger Wertschätzung mit dir.“
„Mir ist wichtig, dass wir uns gegenseitig wirklich wertschätzen.“
„Mir ist es echt ein Anliegen, dass Menschen einander wertschätzen.“
„Ich wünsche mir, Beziehungen sein zu können, in denen alle gegenseitige Wertschätzung erleben.“

4. Bitten

Achtung:
Hier bin ich NICHT in einer Erwartungshaltung oder in dem Gedanken „Ich muss den anderen jetzt irgendwie dazu bringen, ja zu sagen.“ – Das beginnt schon beim Gesprächseinstieg oder wenn ich das Thema wechseln will. Ich versuche NICHT, mit GFK zu erreichen, dass der andere sich meinem Willen beugt, egal was er selbst wirklich will.

GFK-Haltung:
Stattdessen bin ich neugierig und offen dafür, was der andere gerade wirklich möchte und welche Wege es vielleicht noch geben kann, in Kooperation oder auch für mich allein meine Bedürfnisse zu erfüllen. Ich bin im Vertrauen, dass der andere, wenn er Nein sagt, eigentlich Ja sagt – zu einem anderen wunderschönen Bedürfnis, das er gerade nicht mit meiner Bitte vereinbar sieht. Wenn ich versuche, wirklich zu verstehen und offen bin für neue Ideen, dann muss ein Nein kein Ende des Gesprächs sein. Und ich weiß, selbst wenn ich mit meinem Gegenüber keinen Weg finde, finde ich einen anderen für mich.

Tipp:
Hier hast du bereits eine Menge Tipps in der 16. Blogartikelfolge erhalten. Einen weiteren möchte ich dir dennoch geben. Deine Haltung zeigt sich bereits zu Beginn des Gesprächs. Schaust du mit offenen Augen auf dein Gegenüber und bist bereit, seine Bedürfnisse zu erkennen und einzubeziehen? Bist du achtsam damit, wie es ihm geht oder möchtest du einfach nur deinen Wunsch durchsetzen? (Das ist auch okay, mir ist nur wichtig, dass du dir dessen bewusst bist.)

Wenn du wirklich offen bist für dein Gegenüber, dann macht es Sinn, bereits zu Beginn mit einer Bitte zu starten: Der Frage danach, ob der Gegenüber gerade bereit ist, das zu hören, was du ihm sagen magst. Ob es dabei um Konflikte geht, Wertschätzung, Ratschläge, Komplimente, was auch immer – vorher nachzufragen, zeigt deine Bereitschaft, wirklich auf dein Gegenüber einzugehen.

Das kann so aussehen:

  • Ich würde gerne mit dir 10 Minuten über eine Situation von gestern Abend reden. Passt das gerade für dich?
  • Mir geht unser Konflikt von vorhin noch so durch den Kopf und ich würde gerne darüber reden. Hast du gerade eine halbe Stunde Zeit und Nerven, um dir das mit mir anzuschauen?
  • Ich mag dir gerne etwas rückmelden, wie es mir gerade in dem Gespräch mit dir geht. Kannst du das gerade hören?
  • Ich würde jetzt gerne wieder zu den Arbeitsthemen zurückkommen. Ist das für dich in Ordnung?

Lernen braucht Zeit

Wenn du dein Beispiel aufgeschrieben hast, kannst du ja mal die Sprache anschauen oder auch in dich gehen und damit deine Haltung überprüfen. Hast du die GFK-Haltung bei allen vier Schritten in deinem Beispiel eingenommen? Spiegelt deine Sprache deine Haltung? Was fühlt sich für dich stimmig an?

Denk bitte daran, dass das alles nur Hilfen zu mehr Bewusstheit sind und kein neues Richtig oder Falsch. Wenn du es nicht schaffst, alles davon umzusetzen, dann herzlichen Glückwunsch: Du bist ein Mensch. 🙂 Ein schöner Spruch, den ich von Christian Hinrichsen (einem lieben GFK-Kollegen) gelernt habe: GFK ist nichts, was immer gelingt, nur immer öfter!

Und es geht auch gar nicht darum, immer die GFK-Haltung zu haben (und schon gar nicht immer die „perfekte“ Sprache oder Form!) – manchmal entscheiden wir uns vielleicht sogar bewusst dagegen! Es geht darum, dass du dich in dieser neuen Haltung und Sprache übst, um immer mehr Bewusstsein sowie Möglichkeiten zu erlangen und selbst entscheiden zu können, wie du handeln, sprechen, denken und fühlen möchtest.

Denk an dich als Kind, als du sprechen gelernt hast. Wie lange hast du Sachen „komisch“ oder gar „falsch“ ausgesprochen, ehe du Worte wie deine Eltern artikulieren konntest? Was wäre gewesen, wenn du dich für jedes Mal „falsch aussprechen“ selbst verurteilt hättest? Oder wenn du nach dem 10. Mal scheitern gedacht hättest „Nee, ich glaube Sprechen, das ist nichts für mich!“? Hast du aber nicht und du kannst sprechen! Und manchmal entscheiden wir uns noch heute, nicht zu sprechen, sondern zu singen, zu schreien, zu lallen, zu murmeln oder zu flüstern. Es gibt kein Falsch – nur Entscheidungen, die wir immer bewusster treffen können, wenn wir mehr lernen. 

Daher lade ich dich ein: Trau dich und übe so viel du kannst! Und GFK lernt sich – wie auch sprechen, laufen oder tanzen – nicht in der Theorie. Also wenn du wirklich GFK lernen möchtest, dann ist es notwendig, in die Praxis zu gehen und ein Seminar oder einen Workshop zu besuchen, wo du wirklich aktiv begleitet üben kannst. Hier findest du zahlreiche Angebote, wie du auch von zuhause aus GFK lernen kannst:

Im nächsten Blogartikel wird es dann darum gehen, wie wir die Schritte der GFK nutzen können, um wirkliche Dankbarkeit und Wertschätzung auszudrücken. Denn schließlich wollen wir nicht nur lernen, Konflikte anzusprechen, sondern auch die erfüllten Bedürfnisse im Leben und das, was uns Freude macht.