Folge 17: Authentisch ausdrücken in Konflikten – Die Bedeutung der vier Schritte

Die zwei Teile der GFK

Du kennst nun die vier Schritte und die Grundhaltung der GFK. Nun gibt es zwei konkrete Richtungen, die du mit diesen vier Schritten immer wieder gehen kannst: Du kannst dir anschauen, worum es DIR geht und für dich reflektieren, was du wahrnimmst, fühlst, brauchst und erbitten kannst. Das nennen wir Selbstempathie. Und das Ganze oder Teile davon kannst du in einem sogenannten „authentischen Selbstausdruck“ auch mitteilen.

Auf der anderen Seite kannst du dir dein Gegenüber anschauen und vermuten, was seine Wahrnehmungen, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten sind. Das kannst du still tun, um für dich in eine empathische Haltung zu kommen und empathisch zuzuhören, oder du kannst in den Dialog treten und in empathischen Vermutungen die Seite deines Gegenübers besser verstehen lernen.

In der GFK geht es vor allem um diesen „Tanz“, auf den wir uns einlassen, wenn wir uns selbst mitteilen, dann wieder schauen, was das beim Gegenüber auslöst, wieder zu uns gehen und dann wieder zum Gegenüber und so weiter. Um die liegende Acht, die wir nachfahren, bei der wir erst die eine Seite nachschwingen, um dann wieder in die andere Hälfte zu fahren und zurück.

Es geht schließlich nicht darum, einem Schema zu folgen und damit dem anderen achtlos hinzuwerfen, was in uns vor sich geht – genauso wenig geht es darum, immer nur zuzuhören und das eigene herunterzuschlucken oder zu verbergen. Es geht um einen echten Austausch, ein Miteinander, ein Ins-Gespräch-Kommen und um echtes Interesse daran, sich gegenseitig zu verstehen. Wie lange die jeweiligen Tanzschritte sind oder wie viel es sind, das bestimmen nur die Personen in jeder individuellen Situation. Je mehr GFK wirklich in deine Haltung und Sprache integriert ist, desto mehr wird dieses Hin und Her wie von selbst gehen.

Und darum geht es letztendlich auch beim Lernen der GFK und der vier Schritte: Dass du immer mehr die Haltung integrierst und dich entweder bewusst dafür entscheiden kannst oder irgendwann vielleicht sogar in vielen Situationen ganz selbstverständlich in der Haltung bist, die du gerne haben magst. Die vier Schritte sind EIN Weg, um zu der Haltung zu kommen. Wenn wir diese erreicht haben, spielen die Worte keine große Rolle mehr und das Ziel ist es, sich auch irgendwann gar keine Gedanken mehr um die Sprache zu machen – aber bis dahin nützen die vier Schritte als Anker und Werkzeug, die Haltung der GFK immer mehr zu verinnerlichen.

In dieser Folge möchte ich dir die vier Schritte zusammenfassend zeigen und ihre jeweilige Bedeutung im Selbstausdruck vermitteln.
In der nächsten Folge bekommst du noch einmal einige Tipps zur Haltung und Sprache zum authentischen Selbstausdruck im Bezug auf Konflikte.
Danach werden wir uns dann anschauen, wie wir den authentischen Selbstausdruck nutzen können, um echte Wertschätzung zu äußern, ehe wir auf die andere Seite gehen und uns der Empathie, der empathischen Haltung sowie den empathischen Vermutungen widmen.

Konflikte ansprechen mit dem authentischen Selbstausdruck

Die vier Schritte sind dazu da, dass du dich selbst besser verstehen und damit auch klarer ausdrücken kannst, worum es dir geht. Um selbst daran zu üben, lade ich dich ein, dir ein Beispiel auszusuchen, in dem du selbst mit jemandem einen Konflikt hattest oder wo du theoretisch gerne etwas ansprechen möchtest, was dich gestört hat.

Dann kannst du dir mal anschauen,

  • was deine Wahrnehmung ist und was deine Interpretation,
  • was deine Gefühle dazu und was deine Gedanken sind,
  • was deine Bedürfnisse und was konkrete Strategien sind und
  • was eine konkrete Bitte sein könnte oder ob du noch in Forderungen steckst.

Versuche mal, eine Situation für dich aufzuschlüsseln. Ich werde dir ein Beispiel hierfür geben:

Meine Freundin sagt zu mir „Von dir hört man auch gar nichts mehr, nie meldest du dich!“

Falls du kein eigenes Beispiel hast (oder zusätzlich!) kannst du auch mal versuchen, wie du diese Situation in den vier Schritten ansprechen könntest. Wenn du das getan hast, kannst du weiterlesen.

Nun lade ich dich gleich zu einer weiteren Übung ein, in der es darum geht, selbst den Unterschied zwischen GFK und der häufig üblichen Ausdrucksweise zu spüren.

Lies dir dafür erst einmal NUR die linke Seite der Tabelle hier drunter komplett durch und stell dir vor, wie es dir gehen würde, wenn jemand so etwas zu dir sagt. Was passiert da in deinem Körper? Wie hoch ist deine Bereitschaft und Lust, den anderen zu verstehen und in Kooperation, Wertschätzung und Miteinander zu kommen? Wie würde es dir selbst gehen, diese Sätze auszusprechen?

Dann lies die rechte Seite und frage dich dasselbe: Was passiert da in deinem Körper? Wie hoch ist deine Bereitschaft und Lust, den anderen zu verstehen und in Kooperation, Wertschätzung und Miteinander zu kommen? Wie würde es dir selbst gehen, diese Sätze auszusprechen?

Wie ging es dir im Unterschied? Hast du was gemerkt? Ging es dir nur bei der Vorstellung, die Sätze so zu hören anders oder auch bei der Vorstellung, sie auszusprechen? Teile deine Erkenntnisse gerne in den Kommentaren!

Letztendlich – wie immer – geht es auch hier um mehr als die Worte. Das sind einfach nur typische Beispiele, wie die jeweiligen Kategorien aussehen können.

Reihenfolge und Bedeutung der vier Schritte im authentischen Selbstausdruck

Die vier Schritte sind grundsätzlich nicht dazu gedacht, sie immer alle vier zu nennen und in dieser strikten Reihenfolge zu bleiben. Dennoch hat die Kombination aus den vier Schritten in dieser Reihenfolge nicht nur in der Selbstreflexion, sondern auch im Ausdruck einen tieferen Sinn.

Wenn wir zuerst die Wahrnehmung nennen, schaffen wir eine gemeinsame Gesprächsbasis. Es ist klar, worum es geht und wie jemand anders dein Leben bereichert hat oder was genau du ansprechen magst, das dich stört. Es schafft einen Referenzpunkt, an dem man gemeinsam ansetzen kann. Mit dem Gefühl zeigst du dich und bietest an, in Verbindung zu gehen, indem du selbst die Türe öffnest. Das Bedürfnis direkt danach drückt aus, um welchen allgemein menschlichen Wert es dir geht, der dein Gefühl verursacht. Einmal dient es dabei dem Zweck, die Selbstverantwortung zu zeigen (weg von „Du bist schuld!“) und weiterhin bietet es den Anknüpfungspunkt, bei dem das Gegenüber sagen kann: „Ja, diesen Wert kenne ich! Das ist mir auch oft wichtig! Darum geht es also!“ Die Bitte dient dann dazu, dem Gegenüber die Chance zu geben, aktiv zu meinem Bedürfnis beizutragen oder mit mir gemeinsam einen anderen Weg zu finden.

Wie du siehst, hat jeder Schritt seine Funktion und seinen Platz im authentischen Selbstausdruck. Es ist aber nicht in jeder Situation jeder dieser Schritte nötig. Ich mag dir dafür einen kurzen Überblick über meine Erfahrungen geben, wann die Schritte besonders wichtig sind und wann man sie eher weglassen kann. Denk bitte daran, dass das keine Anleitung ist, sondern lediglich eine Orientierung, die aus meiner Erfahrung entspringt.

Die Wahrnehmung wegzulassen kann dann sinnvoll sein, wenn bereits sehr deutlich ist, worum es geht. Wenn gerade eben etwas passiert ist, auf das du dich beziehst, brauchst du vermutlich nicht dazusagen, was genau du gerade meinst. Allerdings lade ich dich ein, auch da wachsam zu sein und offen dafür zu bleiben, dass dein Gegenüber sich vielleicht dennoch nicht auf dasselbe beziehen könnte und eine Ergänzung notwendig ist, um Missverständnisse zu vermeiden.

Die Gefühle wegzulassen kann vor allem in Situationen hilfreich sein, in denen keine starke Nähe geschaffen werden soll – also mit Fremden, im Arbeitskontext oder auch bei Menschen, denen du dich nicht verletzlich zeigen magst oder für die es vermutlich zu nah ist. In manchen Kulturen oder auch einfach Familien wird wenig bis gar nicht über Gefühle gesprochen und da kann es Überforderung oder Hilflosigkeit auslösen, jedes Gefühl klar zu benennen.

Die Bedürfnisse bilden den Kern der GFK und sind – so behaupte ich – immer dann sinnvoll, wenn wir tiefer in Verbindung kommen wollen oder es Konfliktpotenzial gibt. Es kann auch einfach der Klarheit und leichteren Nachvollziehbarkeit dienen, die Bedürfnisse zu benennen. In manchen Situationen allerdings wirken die Bedürfnisse fehl am Platz, vor allem wenn es um einfache Alltagskommunikation geht, wie zum Beispiel die Frage, ob mir jemand das Salz reicht – dort würde ich nicht unbedingt sagen: „Ich habe ein Bedürfnis nach Genuss, reichst du mir das Salz?“. Als Richtlinie würde ich sagen, dass es in den meisten zwischenmenschlichen Situationen sinnvoll ist, Bedürfnisse zu benennen. Irgendwann kannst du die Bedürfnisse auch so umgangssprachlich ausdrücken, sodass sie kaum mehr auffallen. Dann kann es auch natürlich rüberkommen, wenn du sagst: „Reichst du mir das Salz? Dann kann ich meine Suppe noch besser genießen!“

Der vierte Schritt ist derjenige, bei dem ich am häufigsten sehe, dass er weggelassen wird und bei dem ich gleichzeitig das Weglassen am problematischsten finde. Wie würde es in einem Gespräch auf dich wirken, wenn jemand zu dir sagt: „Du hast mir 10 Minuten vor unserem Treffen abgesagt. Ich bin da echt enttäuscht und auch etwas sauer, weil mir Verlässlichkeit echt wichtig ist und dass ich meine Zeit sinnvoll nutzen kann.“

Wie geht es dir, wenn die Aussage da endet?

Bei mir kommt so ein Gedanke auf „Und nun?! Jetzt ist es ja zu spät, ich kann nichts mehr daran ändern, was soll ich denn jetzt machen?!“ Ich glaube, dass es Hilflosigkeit und Angst oder Schuld bei den meisten Menschen auslöst, wenn ich nur mein unerfülltes Bedürfnis benennen, aber keine Idee dazusage, was mir gerade helfen würde. Daher ist es gerade in Konflikten essenziell, die Bitte zu äußern, um unserem Gegenüber zu zeigen (und auch selbst klar zu haben!), was er gerade beitragen kann.

Spür mal rein, ob es für dich einen Unterschied macht, wenn am Ende dieser Aussage eine Bitte steht:

„Du hast mir 10 Minuten vor unserem Treffen abgesagt. Ich bin da echt enttäuscht und auch etwas sauer, weil mir Verlässlichkeit echt wichtig ist und dass ich meine Zeit sinnvoll nutzen kann. Ich glaube, mir würde es echt helfen, wenn du mir sagen könntest, was dich abgehalten hat, pünktlich zu sein. Wärst du bereit, mir das zu erzählen?“

Beim nächsten Mal …

In der nächsten Folge werden wir uns noch mit einigen sprachlichen Hinweisen beschäftigen, die deine Haltung deutlicher machen kann. Ich werde dir außerdem zu jedem der vier Schritte sowie dem authentischen Selbstausdruck allgemein ein paar Tipps geben, die mir besonders am Herzen liegen. Hebe also auch die Reflexion deiner eigenen Situation gerne dafür auf und überprüfe dann, ob du noch ein paar Tipps aus der nächsten Folge darin umsetzen magst.

Wenn du jetzt Lust bekommen hast, selbst einzusteigen und zu lernen, wie du die vier Schritte und die Haltung der GFK für dich vertiefen und nachhaltig in dein Leben integrieren kannst, dann besuche gerne ein Seminar/Webinar von mir oder melde dich zu einem persönlichen Coaching an: