Folge 19: Von Lob zu Wertschätzung und Dankbarkeit

Haltung und Tipps zu den vier Schritten

Du kennst jetzt bereits die vier Schritte und ihre Grundunterscheidungen. In diesem Blogartikel mag ich dir näherbringen, wie du dieses Wissen nutzen kannst, um deine Wertschätzung und Dankbarkeit tiefer zu spüren, besser zu verstehen und sie von klassischem Lob zu unterscheiden.

Dafür mag ich dich wieder einladen, selbst aktiv zu werden: Denk mal an eine Situation, in der jemand etwas getan hat, was in die Freude, Glück, Dankbarkeit oder Liebe ausgelöst hat. Dann überlege mal für dich: Hast du deine Dankbarkeit ausgedrückt? Wie hast du das getan? Was genau hast du gesagt?

Halte hier kurz inne und schreibe dir auf oder merke dir, wie du reagiert hast und ob und wie du deine Wertschätzung geäußert hast. Ich mache mal ein Beispiel: Ein Mann an der Kasse hat mich vorgelassen. Ich hab gelächelt und gesagt: „Vielen Dank, das ist wirklich sehr nett!“

Wertschätzung vs. Lob

Bevor wir uns mit dem Beispiel näher beschäftigen, möchte ich dir eine weitere Grundunterscheidung aufzeigen, die wir in der GFK treffen. Wir unterscheiden zwischen Lob und Wertschätzung bzw. Dankbarkeit. Wertschätzung und Dankbarkeit verwende ich hier synonym und unterscheide sie von Lob. Ich gebe dir mal ein paar Beispiele für klassisches Lob und für umgangssprachliche Wertschätzung nach GFK. Ich bitte dich, dabei mal in dich hineinzuspüren und zu prüfen, ob du von deinem Gefühl her einen Unterschied merkst und ob du feststellen kannst, was der sprachliche und haltungsbezogene Unterschied zwischen den beiden Konzepten ist.

Merkst du einen Unterschied? Allein die Länge wird dir vermutlich aufgefallen sein. Was hast du noch an Unterschieden festgestellt? Waren deine Gefühle anders bei den beiden Möglichkeiten, wenn du dir vorstellst, dass das jemand zu dir sagt?

Ich möchte dir kurz erläutern, was für mich Lob ist und was Wertschätzung – in Sprache sowie in der Haltung.

Lob basiert auf Urteilen und geschieht aus einer wertenden Perspektive. Ich bin im Kopf und sage aus, welche Bewertungen und Urteile ich über die Person oder das Verhalten habe, was ich darüber denke. Ich bin also mit meinen Urteilen verbunden, was richtig/gut/schön/angemessen usw. ist.
Bei Lob entsteht durch das Bewerten schnell ein Verrutschen der Augenhöhe, da ich ja darüber urteile, wie gut es ein anderer gemacht hat – ich gehe also davon aus, dass ich den anderen bewerten kann.

Wertschätzung ist oft länger und detaillierter als Lob. Ich äußere ganz konkret, auf welches Verhalten ich mich beziehe, was in MIR geschieht, also welche Gefühle ausgelöst werden, und welche Bedürfnisse sich durch das Verhalten erfüllt haben. Ich rede von MIR und dem, was in MIR lebendig ist (Herz statt Kopf). Damit bezieht sich Wertschätzung viel mehr auf mich selbst und ich zeige mich mit dem, was es in mir bewegt.

Ganz grob gesagt bedeutet Wertschätzung für mich: Jemand sagt mir, welchen Beitrag ich zu seinem Leben geleistet habe. Bei Lob sagt mir jemand, dass sein Urteil über mich gut ausfällt. Lob ist dabei oft leichter zu äußern, weil wir meistens schneller in unseren Urteilen sind und es einfacher ist, dabei zu bleiben, als zu reflektieren, was wir wirklich gerade spüren und um was es uns dabei geht.

Natürlich kommt es auch hier wieder stark auf die Haltung an. Wenn ich in der urteilsfreien Haltung bin und sage „Find ich ja total klasse, danke!“, kann dennoch beim anderen Wertschätzung ankommen. Dennoch kann es oft hilfreich sein, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse auch wirklich zu äußern.

Warum Wertschätzung?

In meinem Erleben ist Wertschätzung für jede Art der Beziehung, sei es geschäftlich, familiär, freundschaftlich oder partnerschaftlich, sehr hilfreich. Sie stärkt die Zufriedenheit und die Verbindung. Es tut einfach gut, in dem gesehen zu werden, was ich beitrage, und selbst auch zu sehen, wie andere Menschen mein Leben bereichern.

Im Gegensatz zu Lob berührt mich Wertschätzung sehr viel tiefer. Ich kann wirklich sehen, dass ich etwas im Herzen des anderen ausgelöst habe und weiß, zu welchen Bedürfnissen ich gerade beitragen konnte, anstatt nur zu hören, was die Person über mich denkt. (Gleichzeitig kann ich hinter jedem Lob natürlich auch Wertschätzung hören, wenn ich „Giraffenohren“ aufhabe.)

Ein Vorteil, der sich nicht nur auf deine Beziehungen, sondern auch dich selbst bezieht, wenn du Wertschätzung äußerst, ist, dass du dich dadurch besser verstehen und mit dir in Verbindung kommen kannst. Du lernst noch mehr, eine bedürfnisorientierte Haltung einzunehmen und dich, deine Gefühle und deine Bedürfnisse tiefer zu erkennen.

Und wenn du Situationen, die schön für dich waren, ausgiebig spürst und dich wirklich mit deinen Gefühlen und Bedürfnissen verbindest, kannst du viel intensiver Kraft daraus schöpfen und deine Freude steigern. Je häufiger du in die Haltung von Dankbarkeit und Wertschätzung einsteigst, desto mehr steigert sich deine Lebensqualität. Denn:

Umso mehr dein Fokus auf den erfüllten Bedürfnisse in deinem Leben liegt, desto mehr wirst du
1. deine Brille, durch die du die Welt siehst, darauf ausrichten, was gut läuft und was schön ist in deinem Leben, und
2. mehr von dem anziehen, was du dir wünschst. Dankbarkeit ist quasi ein Magnet für mehr schöne Momente. Falls du dazu noch mehr Hintergrundwissen brauchst: In diesem Blogartikel erkläre ich näher, warum das so ist:

Vom Urteil zur Wertschätzung

Um Wertschätzung zu spüren und auszudrücken, brauchst du die Bereitschaft, deine Urteile zu hinterfragen und dir die Mühe zu machen, in dich hineinzublicken und deine Gefühle und Bedürfnisse zu ergründen.

Wertschätzung kannst du mithilfe der ersten drei Schritte der GFK konkretisieren: Du brauchst zunächst die Klarheit darüber, was jemand genau getan oder gesagt hat (Wahrnehmung), dann schaust du, welche Gefühle in dir dadurch entstehen und was es in dir auslöst (Gefühl) und dann prüfst du, welche Bedürfnisse für dich dadurch erfüllt wurden, also wie die Person zu deinem Leben beigetragen hat (Bedürfnis).

Ich mag dir hier eine kurze Anleitung geben, die du nutzen kannst, um von deinem ersten Gedanken und deinem Lob in tiefere Wertschätzung einzutauchen.

1. Vom Urteil zur Wahrnehmung

Wenn jemand etwas tut, was dir gefällt, schau dir ruhig erst einmal dein Urteil an, das vermutlich ohnehin automatisch aufploppen wird. Ich nehme mal das Beispiel mit dem Mann an der Kasse von vorhin und du kannst dein eigenes Beispiel nutzen:

Der Mann lässt mich vor und ich denke sofort „Wow, das ist aber wirklich nett! Dass es so freundliche Menschen gibt, toll! Ich fühle mich total gesehen!“ – Ich beobachte diese Gedanken und sage mir: „Aha, das denke ich also über die Situation. Was genau ist es denn, was mir so an dem Verhalten gefällt? Was genau hat er getan und gesagt? Was würde eine Kamera aufzeichnen?“

Ich formuliere also für mich folgende Wahrnehmung: Der Mann hat mir in die Augen gesehen und mit einem Lächeln gesagt: „Gehen Sie ruhig vor, Sie haben ja nicht so viel!“

2. Meine dadurch ausgelösten Gefühle

Nun spüre ich in mich hinein und beobachte, was ich fühle.

Was spüre ich im Körper? Was genau passiert da in mir? Ah, ich merke, dass ich so ein freudiges Kribbeln im Bauch habe. So eine warme Energie, die von unten nach oben kommt und mich lächeln lässt. Ich würde sagen, es ist sehr große Freude.

3. Meine erfüllten Bedürfnisse

Nun kommt für die meisten der schwierigste Schritt. Hier frage ich mich, welche Bedürfnisse mir dieses Verhalten des Mannes erfüllt hat. Warum bin ich so freudig? Wie genau hat er damit zu meinem Leben beigetragen? Hier können mir auch wieder meine Urteile helfen. Das kann so aussehen:

Hm, ich freu mich also total. Warum eigentlich? Was genau hat mir das erfüllt? Geht’s mir darum, dass ich dadurch schneller aus dem Supermarkt draußen bin? Nein, wegen den zwei Minuten würde ich mich nicht so freuen. Es ist eher dieses Freundliche in seinem Blick. Und ich hatte da den Gedanken „Ich fühle mich gesehen.“ Ja, dass er gesehen hat, dass ich nicht viel zu zahlen habe und er sofort darauf reagiert hat, das ist mir wichtig gewesen. Ich freu mich, dass ich ihn da so achtsam erlebt habe, er mich gesehen hat und bereit war, mir etwas Gutes zu tun.

Jetzt bin ich noch bei dem Mann selbst, aber welche allgemein menschlichen Bedürfnisse sind denn da erfüllt? Wie hat das Verhalten des Mannes etwas erfüllt, das ich mir im Umgang zwischen Menschen wünsche? Hm, naja, ich liebe es, wenn Menschen achtsam miteinander sind und aufeinander schauen. Ich schätze es total, wenn wir alle offenen Blickes durch die Welt gehen und einander sehen und uns unterstützen. Wie schön wäre die Welt, wenn jeder so mit anderen umgehen würde. Ja, das ist es. Das ist, was ich mir im Umgang zwischen Menschen wünsche und was das Verhalten des Mannes für mich erfüllt hat. Achtsamkeit und dass wir einander sehen und aufeinander eingehen.

Während ich das schreibe, wird mir selbst ganz warm ums Herz. Wie viel tiefer das geht, als wenn ich nur denke „Der ist aber nett!“ – geht’s dir da auch so? Ich spüre jetzt riesige Freude, da diese kleine Geste etwas so Wunderschönes und Wesentliches im Umgang zwischen Menschen repräsentiert. Wow, ich bin berührt und zutiefst dankbar.

Ich lade dich ein, diese drei Schritte auch mit deinem eigenen Beispiel zu machen und zu beobachten, ob sich etwas in dir verändert, wenn du tief mit dem verbunden bist, was sich dadurch an wichtigen Bedürfnissen für dich erfüllt hat.

Beim nächsten Mal …

In der nächsten Folge schauen wir uns an, wie du Wertschätzung nicht nur fühlen, sondern auch kommunizieren kannst. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten und ich mag dir ein paar davon aufzeigen sowie ein paar Tipps geben, damit du dich authentisch ausdrücken kannst.

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