Folge 15: Drei Kriterien für erfolgreiche Bitten

Bitten zeichnen sich, wie du nun weißt, dadurch von Forderungen ab, dass wir bei einem Nein trotzdem entspannt und verständnisvoll bleiben. Du hast außerdem im letzten Blogartikel erfahren, was dazu beiträgt, dass du entspannt und gelassen bleiben kannst, wenn jemand Nein sagt, wie Menschen mehr Lust haben, deine Bitte zu erfüllen und wie du damit umgehen kannst, wenn sie es nicht möchten.

Nun möchte ich noch konkreter auf Bitten eingehen und auf Möglichkeiten, wie du die Wahrscheinlichkeit noch steigern kannst, dass sie erfüllt werden.

Bitten sind am erfolgreichsten, wenn sie geäußert werden

Ich sehe so oft, dass Menschen nicht sagen, was sie sich wünschen, aber von anderen erwarten, dass sie genau das tun. Und das ist natürlich eine wunderschöne Vorstellung, die uns vielleicht noch aus der Kindheit nachhängt: Da ist jemand, der weiß, was ich brauche, noch ehe ich es selbst weiß, und tut etwas, um mir genau das zu erfüllen. Das ist leicht, entspannt und geborgen und wird oft in romantischen Filmszenen genau so dargestellt – und leider von vielen Paaren in Erwartung gestellt.

Gleichzeitig habe ich die Erfahrung gemacht, dass es nicht realistisch ist. Abgesehen davon bin ich inzwischen lieber in meiner Eigenverantwortung, gut für mich zu sorgen und mich dafür zu engagieren, meine Bedürfnisse zu erfüllen, als darauf zu warten, dass irgendjemand meine Bedürfnisse errät und erfüllt. Ich spüre gerne meine eigenen Kraft und Wirksamkeit, unabhängig von außen.

Geht es dir da genauso?

Wenn du mindestens ein bisschen zustimmen kannst, möchte ich dich einladen, dir selbst klar darüber zu werden, was genau du dir von anderen wünschst.

Mit deiner eigenen Klarheit darüber und deiner Fähigkeit, das auch anderen Menschen zu sagen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass du genau das bekommst, was du möchtest. Dabei helfen dir 3 Kriterien, die du bei einer erfolgreichen Bitte beachten kannst

1. Formuliere positiv

„Ich hätte gerne ein Zugticket.“ – „Wohin möchten Sie denn?“ – „Nicht nach Paris!“

Es ist oft sehr leicht, zu wissen, was wir NICHT wollen. Wir sagen, womit jemand aufhören soll, was jemand lassen soll, was jemand NICHT tun soll. Das ist oft frustrierend für beide Seiten, weil die Person dann unendlich viele Alternativen zur Verfügung hat, von denen aber viele auch nicht recht sind.

Ein Beispiel:

Eine Lehrerin sagt zu ihrem Schüler: „Hör bitte auf, mit dem Stift auf deinem Buch herumzutrommeln.“ Der Schüler legt den Stift beiseite und trommelt stattdessen mit dem Finger auf dem Tisch.

Der Schüler hat genau das getan, worum die Lehrerin gebeten hat, aber es war nicht das, was sie eigentlich wollte. Vermutlich war sie irritiert von dem Geräusch des Trommelns und wollte es gerne leise haben. Erfolgreicher wäre ihre Bitte gewesen, wenn sie gesagt hätte: „Das Geräusch irritiert mich. Könntest du noch die 10 Minuten bis zur Pause ruhig sitzen bleiben?“

Für uns mag vielleicht völlig klar sein, was wir uns wünschen, aber für unser Gegenüber ist es oft hart, das zu erraten. Oder es ist sehr schwer, Alternativen zu finden, die dann erwünscht sind. Zum Beispiel wenn ein Kind frustriert ist und seine Bauklötze herumwirft und wir sagen „Bitte wirf keine Sachen herum!“, dann nehmen wir ihm vielleicht die einzige Möglichkeit, die es gerade sieht, um mit dem Gefühl umzugehen.

Hilfreicher ist es, wenn wir gleich (dazu)sagen, was für uns okay wäre: „Ich hab Sorge, dass was kaputt geht, nicht, wenn du deine Bauklötze hier drinnen herumwirfst. Wir könnten rausgehen, da kannst du sie rumwerfen, wenn du magst. Hast du Lust?“

Es ist also erfolgsversprechender und angenehmer für alle, wenn wir – mit der bereits besprochenen Offenheit für andere Wege – klar sagen, WAS wir wollen, anstatt auszudrücken, was wir NICHT wollen.

2. Formuliere konkret

Solange wir vage bleiben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir genau das bekommen, was wir uns wünschen, sehr gering. Und wenn wir selbst noch gar nicht wissen, was wir genau wollen, wie können wir dann vom anderen erwarten, dass er es tut?

Beim Gegenüber kann es große Hilflosigkeit oder Überforderung auslösen, wenn wir beispielsweise bei unserem Bedürfnis stehenbleiben, ohne konkret zu sagen, was er jetzt tun kann, um uns zu unterstützen.

Ich brauche mehr Zuneigung!
Ich wünsche mir, dass du mich respektierst.
Ich wünsche mir, dass du mich sein lässt, wie ich bin.
Hör mir doch bitte richtig zu!

Das sind alles Wünsche, die sehr vage sind und unser Gegenüber im Unklaren lassen, wie das für uns aussehen könnte. Respekt, Zuneigung, Zuhören, das sind Dinge, unter denen jeder etwas anderes verstehen kann. Was genau heißt es für dich? Was kann dein Gegenüber tun? Umso konkreter desto wahrscheinlicher ist, dass wir in dem, was wir uns darunter vorstellen, übereinstimmen.

Überlege dir selbst einmal, was wären für dich konkrete Bitten zu den jeweiligen Wünschen? Wie würde das für dich aussehen?

Meine Ideen für konkrete Bitten:

Ich brauche mehr Zuneigung
-> Könntest du mich bitte in den Arm nehmen und einfach ein paar Minuten halten?

Ich wünsche mir, dass du mich respektierst.

-> Bitte begrüße mich zunächst, wenn du nach Hause kommst, ehe du dich vor den Fernseher setzt.

Ich wünsche mir, dass du mich sein lässt, wie ich bin.

-> Würdest du mich nächstes Mal erst fragen, ob ich gerade deine Verbesserungsvorschläge hören will?

Hör mir doch bitte richtig zu
.
-> Mir ist wichtig, dass du mir in die Augen siehst, während ich dir etwas erzähle. Wärst du bereit, dein Handy wegzulegen und mich anzuschauen?

 3. Bitte um Handlungen

Häufig nennen wir keine konkrete Handlung, die unser Gegenüber wirklich nachvollziehen und auch erfüllen kann, sondern begnügen uns mit vagen Aussagen oder mit der Beschreibung von Eigenschaften. Dabei liegen meistens unbewusst Urteile und Interpretationen zugrunde, die oft auch dazu führen, dass die angebliche Bitte eigentlich eine Forderung ist.

Beispiele:

Bitte sei höflicher!
Kannst du nicht etwas liebevoller sein?
Versuche doch einfach, ein bisschen mehr wie Nina zu sein.

Wenn wir um Eigenschaften bitten, sehe ich einige Probleme, die nicht dazu beitragen, dass wir bekommen, was wir wollen, und die auch nicht zu einer guten Beziehung beitragen:

1. Mein Gegenüber weiß vermutlich nicht, was das konkret heißt, da er davon sehr wahrscheinlich eine andere Auffassung hat.
2. Es ist schwer, diese „Bitten“ nicht als Vorwürfe zu hören, da Urteile dahinterstecken.
3. Es steckt sehr wahrscheinlich eine Forderung oder Erwartung dahinter.

Handlungsbitten hingegen geben dem Gegenüber wirklich die Chance, zu verstehen, was ich möchte, und machen es leichter, keine Forderung, Urteile oder Erwartung zu hören. Dabei ist es natürlich auch entscheidend, dass wir unsere Forderungen, Erwartungen und Urteile nicht einfach verstecken, sondern sie mithilfe der vier Schritte bereits abgeschwächt oder aufgelöst haben.

Handlungsbitten könnten folgendermaßen aussehen:

Bitte sei höflicher!
-> Bitte sage nächstes Mal auch Hallo, wenn der Nachbar dich grüßt. Okay?

Kannst du nicht etwas liebevoller sein?
-> Kannst du mich zehn Minuten sanft am Kopf streicheln?

Versuche doch einfach, ein bisschen mehr wie Nina zu sein.
-> Wärst du bereit, jetzt spontan mit mir einen Fahrradausflug zu machen – zum Beispiel an den nächstgelegenen See?

Wenn du nun also um positive, konkrete Handlungen bittest, ist die Wahrscheinlichkeit viel höher, dass beide dieselbe Vorstellung davon haben, was gewünscht ist. Außerdem ist es leichter, keine Vorwürfe, Forderungen oder Urteile zu hören. Damit steigert sich natürlich auch die Wahrscheinlichkeit, dass es erfüllt ist.

Offenheit als oberstes Kriterium

All diese Kriterien gelten ganz klar mit der Offenheit für ein Nein. Sie dienen NICHT der Manipulation oder Überzeugung des Gegenübers, sondern sie sollen lediglich dazu dienen, dass du dir klarer wirst, wie genau andere dich unterstützen und zur Erfüllung deiner Bedürfnisse beitragen können und sie sollen dir helfen, das auch zu äußern, sodass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass es beim anderen ankommt.

Ich wünsche mir, dass über diesen drei Kriterien immer die Frage steht: Bin ich denn gerade offen für ein Nein? – Und wenn das nicht der Fall ist, kann ich mich bewusst fragen: Möchte ich gerade eine Forderung stellen oder mag ich lieber nochmal prüfen, warum ich da gerade so fixiert auf diese eine Lösung bin? Gibt es Alternativen? Was steckt dahinter?

Ich möchte das hier noch einmal betonen, erstens, weil ich mir einen ehrlichen Umgang zwischen Menschen wünsche und nicht möchte, dass diese Kriterien zur Manipulation verwendet werden. Zweitens wird die Klarheit, die mit der Erfüllung dieser drei Kriterien einhergeht, oft mit Fixierung verwechselt oder vermischt.

Klarheit ist nicht Fixierung

Vielleicht hast du die Sorge: „Wenn ich klar sage, was ich möchte, anstatt es in indirekte Formulierungen oder höfliche Floskeln zu verpacken, kommt das vielleicht bei anderen als Forderung oder Fixierung an.“ Falls du das denkst, stimme ich dir zu. Viele Menschen hören in einer klar formulierten Bitte eine Forderung. Irgendwie besteht die (in meiner Bewertung etwas merkwürdige) Annahme, dass, wenn wir uns eine konkrete Strategie ausdenken, diese auch genau so realisiert werden soll oder muss.

Dabei haben Klarheit und Fixierung nicht unbedingt etwas miteinander zu tun. Ich kann Forderungen stellen, die sehr vage sind, und trotzdem darauf fixiert sein, dass es genau so gehen muss, wie ich es will. Ich brauche nicht einmal eine konkrete Vorstellung davon, um darauf fixiert zu sein. Auf der anderen Seite kann ich eine ganz konkrete Vorstellung haben, wie meine Bedürfnisse jetzt erfüllt werden könnten, und gleichzeitig offen für andere Wege sein.

Vielleicht ist es hilfreich, konkrete Bitten als „Ideen“ zu betrachten anstatt als Erwartungen oder Vorstellungen. Der Begriff „Idee“ fühlt sich für mich offen an, da Ideen meistens gar nicht den Anspruch haben, genau so umgesetzt zu werden. Ideen sind nur Möglichkeiten, die erweitert, verändert oder weitergesponnen werden können. Ideen sind oft ein Anfang, kein Ende.

Wenn ich also für mich konkrete Bitten als Ideen betrachte und auch lerne, sie so zu äußern, dass meine Offenheit bei anderen ankommt (und manchmal braucht es eine längere Zeit, bis die Menschen darauf wirklich vertrauen!), kann ich damit einen Raum für weitere Ideen eröffnen. Oder das Gegenüber ist total froh über die konkrete Idee und möchte sie gleich umsetzen.

Im letzten Blogartikel zu Bitten möchte ich dir noch drei Arten von Bitten aufzeigen, damit du dir selbst klarer wirst, um was du bitten kannst, um dein Bedürfnis erfüllt zu bekommen.