Folge 14: Echte Bitten äußern – entspannt mit einem Nein umgehen

Wie du in Folge 13 erfahren hast, unterscheidet sich eine Bitte dadurch von einer Forderung, dass sie offen ist für ein Nein meines Gegenübers. Wie aber komme ich in diese Offenheit? Wenn ich denn etwas wirklich möchte, wie ich dann entspannt sein kann, wenn jemand meinen Wunsch ablehnt? Und wie geht es weiter, wenn jemand Nein sagt?

Wir werden uns in diesem Blogartikel ausführlich damit beschäftigen, was dir hilft, deine Offenheit zu stärken, und wie du bei einem Nein konkret reagieren kannst.

Wie komme ich in die Offenheit für ein Nein?

Wir sind es oft gewohnt, Forderungen zu stellen, auch wenn diese als Bitten verkleidet sind. Wir sind dann enttäuscht, traurig, wütend, beleidigt oder frustriert, wenn wir eine Absage bekommen. Oft liegt das daran, dass wir uns auf diese eine Strategie, unsere Lieblingsstrategie, festgelegt haben, oder das Nein als Ablehnung und Abwertung erfahren.

Dafür sind vor allem zwei Dinge entscheidend:

1. Die Loslösung von Strategien:
Du hast im dritten Schritt herausgefunden, worum es dir wirklich geht, unabhängig von konkreten Personen oder Handlungen. Diese eine Bitte, die du dir im 4. Schritt überlegst, ist dann nur EINE von unendlich vielen Möglichkeiten, dir dein Bedürfnis zu erfüllen. Du hängst dadurch nicht mehr an dieser einen Möglichkeit, sondern weißt, dass es noch viele weitere gibt, falls jemand deine Bitte ablehnt.

2. Aus der Haltung der GFK heraus verstehen, warum Menschen nein sagen.

Warum sagen Menschen nein?

Nimm dir etwas Zeit und überlege dir, warum Menschen Wünsche, Bitten oder Forderungen anderer ablehnen. Warum sagst du zu manchen Sachen nein? Dazu zählt dabei übrigens auch, ja zu sagen und es am Ende doch nicht zu tun, also ein inneres Nein.

Hier ein paar Beispiele, warum ich Nein sage:

  • Ich möchte meine Ressourcen (Zeit, Energie, Aufmerksamkeit) woanders investieren. 
  • Ich mag für diese Person nichts tun.
  • Ich habe den Eindruck, ich werde dabei von meinem Gegenüber nicht berücksichtigt.
  • Ich bin trotzig, weil ich denke, mein Gegenüber will mir etwas aufzwingen.
  • Ich verstehe oder weiß nicht genau, was ich tun soll, und es ist mir unangenehm, nachzufragen.
  • Ich denke, ich kann es nicht, und mag nicht versagen oder meinem Gegenüber etwas versprechen, das ich nicht halten kann.

Findest du dich in diesen Gründen wieder?

Meiner Erfahrung nach gibt es für ein Nein verschiedenste Gründe, die sich letztendlich alle in einen einzigen Satz unterbringen lassen: Menschen sagen nein, wenn eigene Bedürfnisse dagegenstehen, ja zu sagen.

Erinnere dich an die Grundhaltung der GFK: Wir gehen davon aus, dass alles, was Menschen tun, ein Versuch ist, sich Bedürfnisse zu erfüllen. Und dass Menschen grundsätzlich kooperative Wesen sind, die gerne beitragen möchten, dass es auch anderen gut geht. Daher muss ein Bedürfnis dagegenstehen, wenn Menschen nein sagen.

Schauen wir uns also die Bedürfnisse mal an, die hinter den obigen Gründen stehen:

  • Ich möchte meine Ressourcen (Zeit, Energie, Aufmerksamkeit) woanders investieren. 
    Mögliche Bedürfnisse: Effektive Ressourcennutzung, Sinnhaftigkeit, Ausgewogenheit, Energie sparen, Leichtigkeit
  • Ich mag für diese Person nichts tun.
    Mögliche Bedürfnisse: Augenhöhe, Verbindung, Wertschätzung
  • Ich habe den Eindruck, ich werde dabei von meinem Gegenüber nicht berücksichtigt.
    Mögliche Bedürfnisse: Fairness, Gleichwertigkeit, Rücksichtnahme, Einbezogensein, Gegenseitigeit
  • Ich bin trotzig, weil ich denke, mein Gegenüber will mir etwas aufzwingen.
    Mögliche Bedürfnisse: Autonomie, Schutz der Selbstbestimmung, Augenhöhe
  • Ich verstehe oder weiß nicht genau, was ich tun soll, und es ist mir unangenehm, nachzufragen.
    Mögliche Bedürfnisse: Selbstwert schützen, Leichtigkeit, Zugehörigkeit (Ich mag nicht als „dumm“ dastehen, wenn ich nachfrage)
  • Ich denke, ich kann es nicht, und mag nicht versagen oder meinem Gegenüber etwas versprechen, das ich nicht halten kann.
    Mögliche Bedürfnisse: Selbstschutz, Zugehörigkeit, Zuverlässigkeit, Transparenz

Wie du siehst, stehen überall Bedürfnisse dahinter, die geschützt oder erfüllt werden möchten und erst einmal mit einem Ja nicht vereinbar scheinen.

Dieses Wissen hilft uns, zu erkennen, dass auch ein Nein nichts anderes ist, als ein Versuch, gut für sich selbst und die eigenen Bedürfnisse zu sorgen. Es ist keine Ablehnung, sondern einfach ein JA ZU ETWAS ANDEREM.

Wenn Menschen nein sagen, meinen sie eigentlich: Es gibt da ein wichtiges anderes Bedürfnis, zu dem ich gerade ja sagen möchte und das ich mit deiner Bitte nicht vereinbar sehe.

Kurz: Ein NEIN zu etwas ist immer ein JA zu etwas anderem.

Wenn du Lust hast, schau doch mal bei deinen eigenen Gründen, nein zu sagen, welche Bedürfnisse für dich dahinterstehen. Schau dir dazu auch gerne konkrete Beispiele an, in denen du nein gesagt hast. Zu was hast du ja gesagt, als du nein gesagt hat?

Warum Bitten effektiv sind

Schauen wir uns die Gründe an, warum Menschen nein sagen, kristallisieren sich für mich ein paar wesentliche Voraussetzungen heraus, wann Menschen im Gegenzug gerne ja sagen. Eine Möglichkeit, diese Voraussetzungen zusammenzufassen, ist folgende:  

Voraussetzungen, um gerne ja zu sagen:

1. Freiwilligkeit: Ich will es freiwillig tun können.
2. Verbindung: Ich möchte in gutem Kontakt sein.
3. Rücksicht: Ich brauche das Vertrauen, dass ich auch berücksichtigt werde.
4. Es steht kein anderes wesentliches Bedürfnis dagegen.

Wenn du nun an die Bitte denkst, sind viele Aspekte bereits erfüllt:

1.: Ich bin offen für ein Nein meines Gegenübers, daher ist Freiwilligkeit gegeben.
2. und 3.: Mir ist dabei nicht egal, wie es dem anderen geht, und ich will auch nicht um jeden Preis meine Strategie durchsetzen, sondern ich möchte, dass die andere Person nur annimmt, wenn sie es wirklich möchte. Ich bin außerdem offen dafür, andere Wege zu finden, wie wir beide unsere Bedürfnisse erfüllt bekommen können.

Bleibt noch der Punkt, dass noch irgendein anderes Bedürfnis dagegensteht. Dazu kommen wir, wenn wir uns ansehen, wie wir auf ein Nein mit GFK reagieren können.

Nein!“ – und jetzt?!

Bei einem Nein endet nicht zwangsläufig das Gespräch, sondern wir können gemeinsam erforschen, wozu das Gegenüber ja sagt und ob es mit unserem Bedürfnis doch vereinbar ist.

Ist unser Gegenüber bereit, seine Gründe zu nennen oder können wir die Bedürfnisse dahinter erkennen, dann können wir für uns prüfen, ob wir einen anderen Weg einschlagen möchten (wenn wir das Bedürfnis kennen, ist es oft leichter, zufrieden mit einem Nein zu sein) oder einen Weg mit unserem Gegenüber zusammen suchen wollen. Es ergeben sich auch hier bei Kenntnis der Bedürfnisse auf beiden Seiten viele weitere Möglichkeiten, die wir vorher gar nicht bedacht hatten.

Zunächst ist es wichtig, zu zeigen, dass es sich dabei um eine Bitte handelt und wir gerade nicht versuchen, es zu manipulieren, zu überzeugen oder zu zwingen. Das gelingt meiner Erfahrung nach am ehesten durch Ehrlichkeit und Transparenz. Dann hilft es, mit empathischen Vermutungen (dazu wird es noch einen extra Blog geben) nachzuforschen, worum es dem Gegenüber geht und dabei Verständnis aufzubringen.

Ein Beispiel:

Könntest du mir gerade helfen, den Abwasch zu machen?

– Nein, ich hab echt keine Lust!

Ah, du hast keine Lust, das ist okay, dann schau ich mal, ob ich es alleine mache. Ich würde nur voll gerne verstehen, woran das liegt. Wäschst du nicht gerne ab oder magst du gerade gar nichts machen?

– Ich bin ich fix und fertig von der Arbeit, ich hab da echt keinen Nerv mehr für!

Ah, du und brauchst einfach Ruhe und Erholung, weil dein Tag anstrengend war?

– Ja …

Und nun, wo ich das Gegenüber verstehe, kann es helfen, mein eigenes Bedürfnis zu nennen. Mir geht es zum Beispiel oft so, dass ich nicht alleine abwaschen mag, weil ich die Zeit lieber nutze, um mich zu unterhalten oder was gemeinsam zu machen. Dann könnte ich das äußern und schauen, ob es einen gemeinsamen Weg gibt:

Hm, mir macht das Abwaschen an sich gar nichts aus. Nur alleine ist es so langweilig und ich würde die Zeit lieber mit dir gemeinsam verbringen. Was hältst du davon, wenn du dich zu mir setzt und ich wasche ab, während wir uns unterhalten?

– Ich mag eigentlich gar nicht reden, ich würde lieber Serie schauen. Ich bin echt fix und alle.

Ah okay, du bist jetzt gerade sogar zum Reden zu müde? Ich hab die Idee, dass wir uns jetzt einfach gemeinsam auf die Couch kuscheln, was anschauen und dann danach nochmal prüfen, ob du dann Lust zu reden hast, während ich den Abwasch mache. Und wenn du dann immer noch keine Lust hast, höre ich halt Musik dabei oder rufe jemanden an. Was meinst du dazu?

– Ja, das klingt gut.

Im Prinzip ist es ein Tanz zwischen den Bedürfnissen beider Seiten, die im Wechsel erfragt, verstanden und mitgeteilt werden. So ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass am Ende wirklich alle bekommen, was sie gerade brauchen.

Denk daran: Es geht nicht darum, dass du jetzt bei jedem Nein direkt einknickst und dein Bedürfnis aufgibst. Es geht darum, dass eine echter Dialog entsteht und eine Lösung gefunden wird, die für alle passt – auch für dich, denn du bist auch jemand!

Ein Hin und Her im Dialog zwischen mir und dir

Die Bitte an mich selbst

Bei der Bitte gilt genau dasselbe für dich selbst, was ich jetzt im Dialog mit anderen geschildert habe. Wenn du versuchst, dich zu etwas zu zwingen, gemein zu dir bist oder die Anteile in dir, die gerade keine Lust haben oder etwas anderes wollen, nicht berücksichtigst, rutschst du in die Forderung und wirst immer einen Teil von dir unzufrieden zurücklassen – und die Rechnung dafür bekommen. Dabei kann es auch anders gehen.

Alle inneren Anteile tragen hinter dem, was sie gerade tun wollen, Bedürfnisse, die sie gerne erfüllt hätten. Bedürfnisse, die DIR wichtig sind und FÜR DICH sorgen. Auch mit dir selbst geht es also darum, alle Seiten zu verstehen, ernst zu nehmen und die Bedürfnisse – losgelöst von Strategien – zu erforschen. Kennst du die Bedürfnisse erst einmal und kannst für alle Anteile Verständnis aufbringen, ist es oft leichter, eine nachhaltig zufriedenstellende Lösung zu finden.

Wenn du mehr dazu wissen magst, schau dir meinen Talk auf YouTube an, wo es explizit um den sogenannten „Schweinehund“ geht und wie wir mit uns selbst anders umgehen können (der Talk beginnt bei etwa 4 Minuten):

Im nächsten Blogartikel geht es dann darum, wie du deine Bitten noch klarer formulieren kannst und die Wahrscheinlichkeit erhöhst, dass du bekommst, was du möchtest.