Folge 8: Gefühle und Gedanken unterscheiden

Im zweiten Schritt der GFK geht es darum, deine eigenen Gefühle zu erkennen und auszudrücken. Denn unsere Gefühle, wenn wir sie wirklich spüren lernen, geben uns eine unglaubliche Kraft, unser Leben selbst zu gestalten. Gefühle sind eine starke Motivation und Antriebsquelle für uns, und sie wirklich zu fühlen und zu verstehen, hilft uns, unser Leben bewusster zu gestalten. Vor allem ist die Verbundenheit mit den eigenen Gefühlen eine flexible, stetig wahrhaftige Alternative zu erlerntem Richtig-und-Falsch-Denken oder oft starrer, urteilender Moral.

Was sind Gefühle?

In der GFK bezeichnen wir als Gefühle im Körper spürbare Regungen, sogenannte „Körpersensationen“, und unsere Interpretationen dazu. Beispielsweise spüre ich ein Unwohlsein im Bauch, ein flaues Gefühl im Magen, angespannte Schultern, einen flachen Atem. Das sind meine Körpersensationen, die ich wahrnehmen kann. Meine Interpretation ist dazu: Ich habe Angst.

Wenn du im zweiten Schritt über deine Gefühle sprichst, kannst du sowohl deine Körpersensationen ausdrücken als auch deine Interpretation dazu, also welchen Namen du diesen inneren Regungen gibst.

Du kannst also sagen „Ich hab gerade ein breites Grinsen im Gesicht und mein Bauch fühlt sich total wohlig warm an.“ oder auch „Ich bin gerade sehr glücklich.“ – Voraussetzung ist, dass du dich spürst und deinen Körper wahrnehmen kannst. Wenn du damit Schwierigkeiten hast, hilft dir vielleicht die Übung, die ich dir anhänge.

Verwechslungsgefahr

Schau dir mal folgende Sätze an:

Ich fühle mich total verarscht.
Ich fühle mich sehr wertgeschätzt.
Ich fühle ganz deutlich, dass er was gegen mich hat!
Ich fühle mich nicht gesehen!
Ich fühle mich wie ein nasser Lappen!
Ich fühle mich im Stich gelassen.

Würdest du sagen, diese Sätze beschreiben Gefühle?

Es steht ja sogar das Wort „fühlen“ dabei. Und doch würde ich sagen, das sind keine Gefühle. Ich erlebe sehr oft, dass Menschen, die versuchen, ihre Gefühle auszudrücken und sogar das Wort „fühlen“ benutzen, gar keine Gefühle nennen, sondern stattdessen ihre Gedanken darüber, was ihrer Meinung nach falsch oder richtig ist.

In der GFK unterscheiden wir zwischen Gefühlen und sogenannten „Pseudogefühlen“, die eigentlich eben solche Gedanken sind, die mit Falsch und Richtig zusammenhängen. Das ist daher relevant, da du, wenn du Pseudogefühle äußerst, nicht mit deinem Körper in Verbindung bist und wirklich spürst, was in dir vor sich geht, sondern im Kopf bist und in deinen Urteilen über dich oder andere.

Beispiel: „Ich fühle mich nicht gesehen!“

Das sagt nichts darüber aus, was in meinem Körper vor sich geht. Es sagt aus, was ich denke, was das Verhalten anderer Menschen für mich bedeutet. Wie fühle ich mich, wenn ich denke, dass ich nicht gesehen werde? Einer fühlt sich vielleicht erleichtert und entspannt, weil er gerade gar nicht gesehen werden will. Einer fühlt sich vielleicht einsam und traurig, weil er sich wünscht, mehr gesehen zu werden. Der Satz selbst sagt also nichts darüber aus, wie ich mich fühle. Ich lasse es offen für Interpretationen.

Grundsätzlich kannst du dich bei der Frage, ob es sich um ein Gefühl oder ein Pseudogefühl handelt, ungefähr an folgenden Richtlinien orientieren: 

  • Bei den meisten „echten“ Gefühlen kann ich den Satz beginnen mit „Ich bin“ anstatt mit „Ich fühle mich“:
    Ich bin traurig, verzweifelt, fröhlich, entspannt, verwirrt usw.
  • Wenn du den Satz anfangen kannst mit „X hat mich“ + angebliches Gefühl, und der Satz einen Sinn ergibt, bist du ziemlich sicher bei einem Pseudogefühl:
    X hat mich im Stich gelassen. X hat mich sehr wertgeschätzt!
  • Wenn du Eigenschaften benennst dann bist du im Pseudogefühl:
    Ich fühle mich wertlos. Ich fühle mich schön.
  • Wenn du ein sprachliches Bild oder einen Vergleich (z. B. mit wie oder als ob) verwendest, bist du auch im Pseudogefühl, da noch nicht klar ist, wie genau sich das anfühlt:
    Ich fühle mich wie ein nasser Lappen.
    Ich fühle mich, als ob der Boden unter mir wegbricht. 

  • Wenn ein Satz mit „Ich fühle, dass“ beginnt, bist äußerst du ebenfalls ein Pseudogefühl.
    Ich fühle, dass er mich nicht mag.
  • Spüre mal nach, ob du es wirklich im Körper spüren kannst (dann bist du vermutlich im Gefühl) oder ob du noch im Kopf bei deinen Gedanken von Richtig und Falsch bist (dann ist das ein Pseudogefühl).

Hier kannst du dir noch eine Liste von Gefühlen herunterladen, die dir helfen können, deinen Wortschatz für „echte“ Gefühle zu erweitern. Sie sind absichtlich nicht in „positive“ und „negative“ Gefühle eingeteilt, weil wir in der GFK alle Gefühle als positiv ansehen und willkommen heißen!

Jenseits von Richtig und Falsch

In der GFK geht es nicht darum, ein neues Richtig und Falsch zu etablieren. Wenn ich dir bei den Grundunterscheidungen erkläre, was ein Gefühl und was ein Pseudogefühl ist, möchte dir nicht sagen, dass es falsch ist, ein Pseudogefühl zu nennen oder dass Pseudogefühle schlecht wären, im Gegenteil!

Genauso wie wir uns im ersten Schritt der GFK nicht von unseren Interpretationen trennen oder sie abwerten, sondern sie einfach als das erkennen, was sie sind, und einen Schritt zurück machen, um sie von urteilsfreien Wahrnehmungen zu unterscheiden, so wollen wir auch von den Pseudogefühlen eben NICHT Abschied nehmen, sondern sie stattdessen klar von Gefühlen unterscheiden und letztere ebenfalls zu erforschen.

Pseudogefühle, genau wie andere Gedanken, Urteile, Interpretationen usw., können wir nutzen, um voranzukommen und uns selbst besser zu verstehen. Denn gerade Pseudogefühle sind oft wichtige Hinweise auf das, worum es im nächsten Schritt geht: unsere Bedürfnisse.

Pseudogefühle – Hinweise auf Bedürfnisse

Pseudogefühle helfen uns dabei, unseren Gefühlen und vor allem unseren Bedürfnissen auf den Grund zu gehen! Wenn ich sage „Ich fühle mich respektlos behandelt!“ ist ziemlich schnell klar, um welches Bedürfnis es mir geht: Respekt. So helfen uns unsere Pseudogefühle effektiv dabei, unsere Bedürfnisse zu erkunden.

Wenn du also Pseudogefühle hast, lade ich dich ein, ihnen Gehör zu schenken, ohne sie für wahr oder falsch zu deklarieren. Einfach nur hinhören, sie als Gedanken und Urteile erkennen, die aus deiner eigenen Interpretation heraus entstehen, und die Pseudogefühle als wertvolle Hinweise nutzen, um zu erforschen was deine Bedürfnisse sind.

Und genau das möchte ich dir mit der GFK mitgeben: Immer mehr erkennen, was die eigenen Urteile und Wertungen sind, sich von ihnen zu disidentifizieren und einen Schritt zurückzumachen, um zu spüren, worum es wirklich geht: unsere Bedürfnisse, die durch unsere Gefühle zum Ausdruck kommen.

Was genau Bedürfnisse sind und wie du deine Bedürfnisse erkennst, ausdrücken und von anderen Konzepten unterscheiden kannst, erfährst du im dritten Schritt der GFK. Ehe wir allerdings auf die Bedürfnisse zu sprechen kommen, möchte ich dir in der nächsten Folge erst einmal erklären, wie Gefühle entstehen und welche Haltung hinter der Aussage über unsere Gefühle in der GFK steht.

Wenn du jetzt Lust bekommen hast, selbst einzusteigen und zu lernen, wie du den Umgang mit anderen Menschen erreichst, den du dir wünschst, dann besuche gerne ein Seminar von mir oder melde dich zu einem persönlichen Coaching an: