Fridays For Future – wirksamer sein durch Gewaltfreie Kommunikation! [1]

„Gewaltfrei? Wie soll das dem Klima wirksamer nützen? Wenn wir freundlich sind, hört uns doch gar keiner zu!“

Vielleicht denkst du beim Lesen des Titels so etwas oder so was Ähnliches. Du bist vielleicht besorgt, weil du vermutest, dass es eine gewisse Aggressivität braucht, um gehört zu werden? Du hast – wie vermutlich die meisten der FFF-Bewegung – die tiefe Sehnsucht danach, wirklich wirksam zu sein, mit deiner Stimme gehört und ernst genommen zu werden und beizutragen zu einer sichereren, friedlicheren und faireren Zukunft?

Ich teile diese Sehnsucht mit dir und möchte dir in diesem Artikel erklären, wie du – mindestens im persönlichen Kontakt – deine Wirksamkeit durch Gewaltfreie Kommunikation (GFK) erhöhen kannst.

Gegen FFF

Zunächst möchte ich dir einen Ausschnitt aus einem Text zeigen, der sehr stark gegen FFF argumentiert:

Ich lade dich ein: Spüre mal in deinen Körper, was dieser Text mit dir macht. Was für Gedanken und Gefühle kommen da auf? Nimm es ernst, pausiere mal kurz und schau, wie der Text auf dich wirkt.

Als ich den Text gelesen habe, der noch sehr viel länger ist als dieser Ausschnitt und nicht weniger heftig wird in seiner Aussage, hat mein Herz angefangen, wie wild zu pumpen. Ich habe eine Hitze in mir aufwallen gespürt, mein Körper wurde hibbelig und ich hatte plötzlich ganz viel Energie in mir. Energie, mich zu wehren, Energie, die Argumente und die „absolut dämliche, polemische und von kompletter Ahnungslosigkeit geprägte“ Meinung des Autors oder der Autorin zu zerstören. Ich war kampfbereit und voller Wut. Ich schüttelte den Kopf und dachte solche Dinge wie „Wie blöd kann jemand sein?! Das kann doch keiner ernst meinen … Wie viel Hass und Verbitterung muss dieser Mensch in sich tragen!“ usw.

Ging es dir ähnlich? Hast du Abwehrreaktionen gespürt? Was für Urteile kommen in dir auf?

Ehe wir uns ansehen, wozu diese Übung dient, möchte ich mich damit beschäftigen, wie solche Gegenstimmen entstehen könnten.  

Wie entstehen abwertende Argumente gegen FFF?

Ich bin der Ansicht, dass dahinter ein Denken steht, das auf Richtig und Falsch, Schuld und Scham, Recht und Unrecht basiert, in dem viele Menschen feststecken. Es wird von einem aggressiven Gegeneinander ausgegangen. Menschen sehen bei den FFF-Demos nicht den Versuch, für unser aller Zukunft zu kämpfen, sondern die Suche nach dem Schuldigen und einen direkten Angriff gegen ihr Leben, ihr Tun, ihre Entscheidungen. Sie hören: „Ihr Erwachsenen seid falsch! Ihr habt es verkackt! Wir machen es richtig und müssen jetzt eure Fehler ausbaden!“

Sicherlich ist die Art, wie Greta Thunberg manche Dinge formuliert, ein Grund für die angespannte Atmosphäre. Um nur einen Satz zu nennen, der aus meiner Sicht den Ton mancher ihrer Reden widerspiegelt: „Ihr seid nicht erwachsen genug, um zu sagen, wie es ist. Sogar diese Last bürdet ihr uns Kindern auf.“ – etwas, das schwerlich nicht als Angriff verstanden werden kann. Ein anderer Grund ist vielleicht, dass sich manche Demonstrationssprüche an Autofahrer richten – zu denen die meisten Erwachsenen in Deutschland gehören. Oder dass sich viele Menschen von Rufen wie „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“ angesprochen und angeklagt fühlen. Plakate, Demorufe, Blockaden, Ausdrucksweisen in Reden, alles davon kann dazu führen, dass Menschen sich schnell angegriffen erleben. 

Ich möchte eins klarstellen: Ich mache weder den Demonstrierenden noch Greta Thunberg irgendeinen Vorwurf. Ich verstehe die Not und die Intention dahinter und bewundere das Engagement und die Vision, die dahintersteht. Es geht hier also nicht darum, herauszufinden, wer „angefangen“ hat, wer etwas „falsch macht“ oder wer „schuld“ ist. Es geht um einen Versuch zu verstehen, wieso die Fronten verhärtet sind und wie du beitragen kannst, dass es wieder mehr ins Miteinander geht. Warum das dringend notwendig ist, um wirksamer zu sein, erkläre ich dir gleich.

Wir können also zusammenfassen: manche Menschen erleben sich – aus welchen Gründen auch immer – von den FFF-Aktionen angegriffen.

Was passiert bei dem Gedanken, angegriffen zu werden?

Wenn das Gehirn etwas als „Angriff“ registriert, reagiert das Unterbewusstsein schneller als das Bewusstsein. Es gibt verschiedene instinktive Reaktionsmöglichkeiten: Kampf, Flucht oder Totstellen (Lähmung). Die, von denen solche Posts erscheinen oder die wütend am Straßenrand stehen und die Demonstrierenden anschreien, reagieren mit „Kampf“.

Viele Menschen, die an das Schuld- und Richtig-Falsch-Denken gewöhnt sind, sehen nur zwei Möglichkeiten:
„Die Jugendlichen haben recht, dann bin ich schlecht und falsch!“ – in dieser Möglichkeit sind Scham und Schuldgefühle vorprogrammiert.
oder
„Die Jugendlichen haben unrecht, also haben sie auch kein Recht, mich anzugreifen! Sie verhalten sich falsch und sollten sich schämen!“ – wählen sie diese Variante, werden sie wahrscheinlich wütend oder zornig.

Da sich die meisten Menschen sehr ungern schuldig fühlen, werden sie sich dagegen wehren, „angegriffen“ zu werden. Wer ist schon gerne falsch? Und wenn es nur zwei Möglichkeiten gibt, ist der logische Schluss aus „Ich bin nicht falsch“, dass die anderen falsch sein müssen. Und wenn Gedanken auftauchen, was an anderen falsch ist, werden Menschen sehr schnell wütend.

Stell dir mal vor, du hast mit jemandem Streit, ihr beide seid gegensätzlicher Meinung und du hörst einen persönlichen Angriff. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass du eingestehst, dass das Anliegen deines Gegenübers vernünftig ist? Und wie gerne möchtest du dann freiwillig auf ihn zugehen und mit ihm kooperieren? Wie wahrscheinlich ist es, dass du ihn unterstützt, ihm zustimmst, ihn bestärkst?
Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass du dich mit allen Mitteln wehren wirst?

Wer wütend ist, grenzt sich ab und will nicht kooperieren. Er sieht keine Kooperation, sondern ein Gegeneinander. Ein Ich vs. ein Du oder ein Wir vs. die anderen. Dann sind zwei gegeneinander gestellte Seiten entstanden und man hat sich für eine entschieden.

Ein ewiger Kreislauf des Gegeneinanders

Erinnere dich, wie es dir ging, also du den Text gelesen hast. Warst du wütend? Hast auch du einen Angriff gehört und bist direkt in den Kampfmodus gewechselt? Hattest du Gedanken, was an der Person, die das geschrieben hat, alles falsch ist?
Bei mir war es so.

Das heißt, solche oder ähnliche Posts, Rufe oder Meinungen von KritikerInnen empfinden einige FFF-AktivistInnen dann wiederum als Anklagen, Angriffe, Schuldzuweisung und reagieren mit Gegenangriff. So entsteht ein Kreislauf des Gegeneinanders (– wer angefangen hat, spielt übrigens dabei keine Rolle, es geht ums Verstehen und Durchbrechen!).

Jeder sieht sich im Recht, es werden scheinbare Argumente hin- und hergeworfen, die von der anderen Seite nur weggewischt werden. „Die haben keine Ahnung!“ ist auf beiden Seiten die Einstellung, mit der sie in die Diskussion gehen. Es geht um Recht haben, gewinnen, nicht schuldig sein und dem anderen klarmachen, dass er falsch liegt.

Besonders dramatisch an der ganzen Sache ist Folgendes: Wir haben eine Diskussionskultur, in der es häufig verpönt ist, über die Gefühle und die Dynamiken zwischen den Argumentierenden zu sprechen – alles soll auf sachlicher Ebene stattfinden. So verwenden die diskutierenden Parteien scheinbare Sachargumente, aber die Diskussion ist schon alles andere als sachlich. Hat der andere überzeugendere Argumente, werden notfalls Scheinargumente, Diffamierungen und Stigmatisierungen hinzugeholt oder persönliche „Fehler“ genutzt, um den anderen in seiner Glaubwürdigkeit zu untergraben – bloß nicht verlieren!

Wenn wir in einer solchen Situation feststecken, ist es vollkommen egal, welche Argumente gebracht werden. Niemand ist mehr offen für die Seite des anderen, denn ein Ändern der eigenen Meinung, ein Zugeständnis oder Einverständnis mit der Meinung des anderen wird dann als Niederlage betrachtet. Es geht nicht mehr um die Sache, sondern darum, den „Kampf zu gewinnen“ – nach dem Motto „Hart bleiben, denn sobald ich Schwäche zeige, werde ich zerfleischt!“.

In einer solchen Diskussionsatmosphäre ist es absolut unmöglich, andere wirklich zu überzeugen. Auch im Nachhinein wäre dieses scheinbare Richtig und Falsch so deutlich zu spüren, dass ein Zugeständnis unmöglich scheint, ohne sich selbst als falsch anzuerkennen. Schuld, Scham und Schmerz sind dabei die unerwünschten Nebenwirkungen, die Menschen gerne zu meiden versuchen. So verhärten sich die Fronten und es wird unterbewusst überlebensnotwendig, die eigene Stellung zu halten – da sonst die Gefahr besteht, dass der andere über einen herfällt.  

Wenn wir weiter eine auf Gegeneinander basierende Diskussionskultur pflegen, werden wir immer weiter dazu beitragen, dass sich die Fronten verhärten und es anderen noch schwerer machen, ihre Position zu überdenken, zu wechseln oder zu widerrufen. Wir drängen unsere „GegnerInnen“ also mit vehementen Argumenten in eine immer stärkere Gegenposition.

Aus meiner Sicht ist es dringend notwendig, dass ein Miteinander entsteht. Eine Diskussionskultur, in der Offenheit und gegenseitiges Verständnis herrschen. Damit die Chance eröffnet wird, die eigenen Position gefahrlos zu verändern. Damit eine echte Verständigung, ein echtes Verständnis von beiden Seiten erreicht werden kann – ohne Angst vor Gesichtsverlust, Beschämung, Schuldzuweisungen und Selbstgeißelung.

Wie kann dieser Kreislauf durchbrochen werden?

Ich habe schon mehrfach erlebt, wie auf dieselbe Art dieser Kreislauf durchbrochen werden und wieder ein Miteinander entstehen kann, in dem Menschen offen für Argumente und meine Meinung sind. Wie genau ich das gemacht hab und was du tun kannst, erfährst du im zweiten Teil des Blogartikels:

3 Antworten auf „Fridays For Future – wirksamer sein durch Gewaltfreie Kommunikation! [1]“

  1. Dein Artikel spricht mir aus der Seele!
    Es wird momentan noch so viel Potential verschenkt in diesem Gegeneinander – lasst uns gemeinsam auf einander zugehen mit einer Neugier für den Anderen.

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