Wie Sprachbewusstsein dein Leben verändern kann …

Wenn du Gewaltfreie Kommunikation zum ersten Mal hörst, denkst du vielleicht so etwas wie: „Das bedeutet, nicht zu beleidigen, nicht handgreiflich zu werden und keinen anzuschreien.“ oder so ähnlich. Vielleicht verbindest du Gewaltfreie Kommunikation auch mit Höflichkeit, damit, nett zu sein, keine Schimpfwörter zu verwenden oder damit, nicht zu streiten und Konflikte immer sachlich und freundlich zu lösen. Oder assoziierst du es vielleicht sogar mit Rhetorik-Training, bei denen Vertreter beigebracht kriegen, wie sie KundInnen so belabern können, dass diese ihr Produkt kaufen? Also Manipulation, Psychotricks und Schmeichelei zum eigenen Vorteil? Die Sprache aufhübschen, ordentlich und angenehm sprechen, sodass man auf andere anziehender, sympathischer, intelligenter oder überzeugender wirkt?

Ich möchte dir so viel schon mal verraten: Nichts davon hat mit Gewaltfreier Kommunikation (= GFK) zu tun.

Es wird keine kosmetischen Veränderungen an der Sprache geben, du wirst nicht lernen, Menschen zu manipulieren oder Konflikten aus dem Weg zu gehen. Du lernst auch kein striktes Regelwerk, bei dem du dich an irgendwas halten musst.

Du kannst eben gerade durch das Erlernen der GFK selbst aussuchen, wie du reden magst, weil du dir dessen viel bewusster wirst!

Bevor ich dir aber erkläre, was Gewaltfreie Kommunikation ist, möchte ich eine Frage klären:

Warum sollte ich mich überhaupt mit meiner Sprache beschäftigen?

„Ich spreche halt wie ich spreche, Ende der Geschichte!“

Du ahnst vermutlich schon, dass es so einfach dann doch nicht ist. Sprache ist mächtig und wirkt auf unsere Gedanken und unsere Perspektive der Welt, die wiederum unsere Handlungen bestimmen.

Sprache hat einen massiven Einfluss auf unser Weltbild.

Nehmen wir als Beispiel mal ein Phänomen, das die Wirkung von Sprache auf das Denken besonders gut zeigt: Die Metapher.

Eine Metapher ist ein sprachliches Bild, bei dem etwas Abstraktes mithilfe von etwas Konkretem anschaulich dargestellt wird.

Ein Beispiel: „Zeit ist Geld.“
Es gibt diesen expliziten Satz dazu, aber auch viele Sätze, die dasselbe unbemerkt voraussetzen, wie die Aussprüche „Zeit investieren“, „Zeit verschwenden“, „Zeit schenken“, „Zeit stehlen“, „Zeit sparen“ usw. Alle diese Sätze gehören zu der Metapher und stellen Zeit so dar, als wäre sie Geld, damit wir uns dieses abstrakte Konzept „Zeit“ besser vorstellen können. Natürlich ist Zeit nicht dasselbe wie Geld, das wissen wir, wenn wir uns bewusst damit beschäftigen. Aber so komplexe, unsichtbare oder abstrakte Konzepte wie Zeit können wir nur durch Metaphern wirklich begreifen. An sich ist das also ein wertvolles Werkzeug, um Abstraktes vorstellbar zu machen und darüber nachdenken zu können.

Gleichzeitig ist es einseitig und beleuchtet nur eine mögliche Sichtweise auf ein viel komplexeres, größeres Konzept. Zeit ist nun mal nicht Geld, aber wenn wir diese Metapher stark verinnerlicht haben und nicht hinterfragen, könnte sie sich unbewusst auf unsere Weltsicht und damit unsere Handlungen übertragen: Wir versuchen, Zeit zu sparen, Zeit immer sinnvoll zu investieren, keine Zeit zu verschwenden usw. und merken gar nicht, dass Zeit sich insgesamt völlig anders verhält als Geld.

Um die Folgen dessen begreiflich zu machen, werden wir uns eine Metapher ansehen, die vermutlich jeder Deutsche schon zig Mal in den Medien gehört hat:

Die Flüchtlingswelle

In den Medien ist seit einigen Jahren immer wieder über die Tatsache, dass vermehrt Flüchtlinge aus verschiedenen Krisengebieten zu uns nach Deutschland kommen, mit dieser Metapher gesprochen worden und dabei wurde ebenfalls häufiger so etwas gesagt wie „Das Boot ist voll!“ 

Was ist daran problematisch?

Sprachliche Bilder erschaffen visuelle Bilder im Kopf, die an Emotionen gekoppelt sind.

Auf dieses Beispiel bezogen: Wie stellen wir uns eine Flutwelle vor? Wie eine riesige, bedrohliche Naturkatastrophe, die unaufhaltsam alles unter sich begräbt. Wir alle kennen die Bilder von Leid nach einer Flutwelle aus den Medien. Es werden ganz unterbewusst diese Bilder getriggert und damit tiefliegende Existenzängste in uns erweckt. Nun stellen wir uns dazu vor, dass Deutschland ein kleines Boot ist, bis zum Rand gefüllt mit Menschen. Es ist kein Schiff, kein Kreuzer, keine Yacht, sondern ein Boot. Automatische Assoziation: eng, klein, gebrechlich, schutzlos. Und dort sitzen wir Deutschen metaphorisch drin, während diese gigantische Flüchtlingswelle auf uns zurollt. Was weckt das für Emotionen?

Metaphern bewirken, dass wir unterbewusst die Eigenschaften des Bildlichen auf das, was es beschreiben soll, übertragen.

Wir denken also:

Flutwelle = beängstigend, unaufhaltsam, grauenvoll, Leid, lebensbedrohlich, gigantisch

und übertragen dank der ständig verwendeten Metapher diese Eigenschaften darauf, dass Flüchtlinge zu uns nach Deutschland kommen. Währenddessen denken wir womöglich noch:

Boot = gebrechlich, klein, überfüllt, unsicher, eng, begrenzte Ressourcen, empfindliche Balance

und übertragen diese Eigenschaften auf Deutschland. Damit ist das Bild komplett und Flüchtlinge werden unterbewusst mit einer Bedrohung unseres scheinbar empfindlichen und gebrechlichen Deutschlands und unserer eigenen Leben verknüpft.

Was in diesem Bild keinerlei Platz hat, ist, dass Flucht Ursachen hat und nicht einfach so „über uns hereinfällt“. Dass es keine Naturkatastrophe ist, sondern durch Krieg und ungerechte Ressourcenverteilung entsteht. Dass diese „Welle“ aus einzelnen Individuen besteht, die schreckliche Schicksale hinter sich haben und ihre Heimat verlassen, weil sie sich eine bessere, sicherere Zukunft erhoffen. Dass Deutschland ein reiches, starkes Land ist mit ausreichend Ressourcen und Platz und dass kein Deutscher sterben muss, nur weil Menschen hierher flüchten.

Die Metapher löst Assoziationen aus, die die Wirklichkeit nur einseitig, ausschnitthaft oder verzerrt darstellen. Dennoch werden sie in uns geweckt und solange wir sie nicht hinterfragen und ihnen ausgesetzt sind, wird sich dieses Bild mit samt all den Assoziationen festigen und unsere Weltsicht unbemerkt prägen. 

Im Alltag ist alles voll von Metaphern und anderen sprachlichen Mustern, die solche Prozesse in uns auslösen. Sprache hat also einen riesigen Einfluss darauf, wie wir die Welt wahrnehmen und entsprechend auch auf unsere Handlungen.

Andersherum spiegelt Sprache auch unsere Weltsicht nach außen.

So wie wir reden, denken wir auch oft. Klar, oder? Wenn ich von meiner Mutter erzähle, habe ich tausende Möglichkeiten, wie ich das tue. Ich kann sagen: „Meine Mutter“, „Meine Mama“, „Mami“, „Meine Alte“ oder „Die olle Giftspritze“. Was ich auch sage, es zeigt meine innere Einstellung ihr gegenüber – ob ich das nun bewusst mache oder nicht.

Letztendlich beeinflussen sich also Sprache und Weltsicht ständig gegenseitig.

Sprache ist notwendig, um komplexe Gedankengänge durchzuführen und mit anderen zu teilen. Ein Großteil der Gedanken, also der Kommunikation mit mir selbst, sowie der Kommunikation mit anderen Menschen ist sprachlich. Sprache ist überall und hat einen großen Einfluss auf uns und andere – daher macht es Sinn, sich mal bewusst mit der eigenen Sprache zu beschäftigen, wenn wir wirksam, selbstverantwortlich und frei leben wollen.

Was hat GFK damit zu tun?

GFK beinhaltet auch diese beiden Seiten. Die Sprache besteht im Wesentlichen aus den vier Schritten der GFK. Es gibt aber auch eine bestimmte Haltung, also eine Weltsicht und eine bestimmte Einstellung, die hinter der Sprache steht und im Gegenzug nutzen dir die vier Schritte, also die sprachliche Form, diese Haltung zu zeigen und auszudrücken.

Die sprachliche Form und die Haltung beeinflussen und begünstigen sich gegenseitig. Ohne die Haltung wirkt die Form künstlich und die meisten Menschen haben den Eindruck, manipuliert zu werden. Deshalb lernst du in der GFK nicht nur die Sprache, sondern zu allererst, welche Haltung hinter der Form steht.

Ich hatte dir ja anfangs gesagt, dass GFK dazu beiträgt, dass du dir bewusster wirst und selbst entscheiden kannst, wie du reden magst. Ich hoffe, du bist inzwischen der Ansicht, dass es absolut wichtig und sinnvoll ist, seine eigene Sprache zu hinterfragen. Wie du das mithilfe der GFK lernen kannst, möchte ich dir jetzt kurz erklären.

Ganz allgemein gesagt lernst du durch GFK ein Sprachmuster, das dir hilft, andere Blickwinkel einzunehmen, deine Weltsicht zu erweitern und bestimmte Dinge klarer zu unterscheiden, die du jetzt vermutlich noch häufig vermischst. Das hilft dir, bewusster zu sprechen und dir aussuchen zu können, welche Sichtweise und Sprache du wählen willst.

Das ist jetzt vielleicht etwas abstrakt, daher werde ich versuchen, es konkreter zu benennen. Du lernst in der GFK, …

  • deine eigene Sprache und deine Haltung im Gespräch zu reflektieren und dir klar zu werden, wie du mit anderen und dir selbst sprichst.
  • etwas über die Wirkung von verschiedene Arten des Sprechens auf Menschen und neue Möglichkeiten, dich auszudrücken und die Welt zu betrachten.
  • gewisse Unterscheidungen kennen wie z. B., was eine echte Bitte von einer Forderung unterscheidet. (Spoiler: Es macht nicht das Wort „Bitte!“)
  • ein Weltbild kennen, das es dir leichter macht, zu verstehen, warum Menschen etwas tun und warum du selbst auf bestimmte Weise handelst.
  • weiter zu denken als „richtig“ und „falsch“ oder „gut“ und „böse“. Du wirst sehen, dass diese Konzepte uns oft blockieren und nicht immer sinnvoll sind, daher ist es gut, wenn du sie hinterfragen und durch konstruktivere, ganzheitlichere Bewertungsmuster ersetzen kannst.
  • wie du dich losmachen kannst von den Ketten deiner unterbewussten Gewohnheiten und damit die Freiheit erlangst, dich bewusst zu entscheiden, wie du sprechen, denken, fühlen und handeln möchtest.
  • eine neue Sichtweise auf das Prinzip der „Schuld“ kennen, die konstruktiv und möglichst ganzheitlich ist.
  • wie du es anderen leicht machen kannst, deine Wünsche zu hören und dazu beizutragen.
  • wie du deine Gefühle und Bedürfnisse authentisch, ehrlich und vollständig ausdrücken kannst und von anderen wahrscheinlich Verständnis und Bereitschaft, dich zu unterstützen, erntest.
  • Konflikte konstruktiv auszutragen, also so, dass du wirklich gehört und verstanden wirst und du den anderen verstehen kannst, auch wenn ihr unterschiedlicher Meinung seid – und am Ende eine tiefere Verbindung und gegenseitige Kooperationsbereitschaft entstehen kann.

GFK ist also keine oberflächliche Sprachkorrektur, sondern zeigt dir neue Sichtweisen, die sich dann auf deine Sprache auswirken. Du lernst aber auch, wie du deine neue Sichtweise dann sprachlich authentisch ausdrücken kannst.

Für mich hat GFK mein Leben drastisch verändert:

Ich hatte mein Leben lang Depressionen und die GFK war der ausschlaggebende Punkt, wie ich lernen konnte, damit anders umzugehen. Noch immer habe ich hin und wieder Tage, an denen ich kraftlos und müde bin, aber ich bin nicht mehr hilflos. Ich habe gelernt, die Welt auf andere Weise zu betrachten, neue Gedanken zu denken und kann mich jederzeit entscheiden, ob ich in mein altes Depressionsmuster fallen oder konstruktiv und liebevoll mit meinen Gefühlen umgehen mag.

Ich habe auch endlich gelernt, mich selbst besser zu verstehen, meine Bedürfnisse zu erkennen und aktiv zu ergründen, wie ich sie erfüllen kann. Ich bin nicht mehr Sklavin meiner Schwankungen, sondern gestalte mein Leben und auch meine Gefühle selbst aktiv und bewusst!

Tagtäglich erlebe ich durch die GFK etwas, das bis dahin für mich völlig unvorstellbar war: Ich bin frei, sicher und mächtig.

Wenn du dich jetzt entscheidest, aktiv deine eigene Sprache und damit auch deine Weltsicht und dein Handeln zu hinterfragen, es aktiv zu beeinflussen und bewusst zu gestalten, dann lade ich dich ein, in meine Angebote zu schauen und dich in einem meiner Seminare inspirieren zu lassen!

Alle wollen die Welt verändern, aber niemand sich selbst. (Leo Tolstoi)
Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst in der Welt. (Mahatma Gandhi)

Wenn du bis hierhin Fragen, kritische Anregungen, Ideen, eine Meinung oder sonstige Kommentare hast, dann schreib doch gerne einen Kommentar. War es verständlich für dich? Macht es aus deiner Sicht Sinn? Ist das alles überhaupt nichts Neues für dich? Ich bin gespannt!

2 Antworten auf „Wie Sprachbewusstsein dein Leben verändern kann …“

  1. Liebe Suki,
    ich mag deinen Schreibstil sehr gerne und beschäftige mich schon länger mit dem Thema, welchen Einfluss Sprache hat. Durch deinem Artikel wird mir klar wie wichtig die Haltung und Gewaltfreie Kommunikation in zwischenmenschlichen Beziehungen ist. In schwierigen Situationen besinne ich mich häufig auf das Gelernte aus deinem Seminar zurück. Vor allem im Umgang mit Konflikten, sei es mit anderen oder mir selbst, habe ich gelernet mit welchen alternativen Möglichkeiten ich noch reagieren kann. Das ist für mich ein sehr wichtiger Punkt. Ich kann es jeder Person, der es schonmal ähnlich ging, empfehlen mit Suki in Kontakt zu treten!
    Nun würde mich noch brennend interessieren welche positive Metapher oder sprachliches Bild du sehr magst oder gar stärkt?

    1. Liebe Susi,

      vielen Dank für deinen Kommentar 🙂 Ich freu mich riesig, dass dir das, was du bei mir gelernt hast, hilft, um dich frei zu entscheiden, wie du reagieren magst und einen Weg hast, der dir Zufriedenheit bringt 🙂

      Deine Frage regt mich zum Nachdenken an und inspiriert mich! Ich glaube, was ich sehr mag, ist die des Lebens als Weg: Man läuft so entlang und es geht nicht darum, ein Ziel zu erreichen, sondern darum, die Landschaft zu genießen, Neues zu lernen, die Richtung vielleicht zu ändern oder ganz neue Wege zu gehen! Und gerade mit Parkour ist das besonders interessant, denn dann gibt es auch keine Sackgassen mehr: du kannst jedes Hindernis irgendwie überwinden, wenn das der Weg ist, den du gehen magst! 🙂 Kannst du das nachvollziehen?

      Was ich auch mag ist die Metapher, die ich in einem anderen Blogartikel verwende (https://weltverbunden.de/2019/08/16/befreie-dich-von-alten-mustern-und-finde-deinen-weg/), nämlich die von den Gefühlen als am Ärmel zupfendes Kind. Wenn wir ihm Aufmerksamkeit und Liebe schenken, hört es sofort auf zu zupfen und die Verbindung kann einen unheimlich bereichern. Wenn man es hingegen ignoriert, wird es stärker zupfen, weinen und schreien, bis man es nicht mehr ignorieren kann – dann wird die Verbindung herzustellen etwas schwieriger und anstrengender. Außerdem mag ich die Metapher, weil sie nicht zwischen „guten“ und „schlechten“ Gefühlen unterscheidet.

      Wie geht es dir mit diesen beiden Anregungen? Siehst du es genauso? Hast du noch andere Ideen? Ich freu mich sehr über den Austausch mit dir!
      🙂

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