„Schon wieder an diesem Punkt!“ – Warum es manchmal scheint, als würde das eigene Wachstum nicht vorangehen

Lernen in Wellen

„Es geht nichts voran in meiner Entwicklung! Ich habe mir das Thema jetzt schon hundert Mal angeschaut und reagiere wieder genau so, wie ich es nicht will! Ich hab doch schon so viel an mir gearbeitet, wie kann es sein, dass ich noch immer oder schon wieder ganz am Anfang stehe? Ich weiß es doch eigentlich besser und kann immer noch nicht da raus! Habe ich denn gar nichts gelernt?“

Es erscheint, als wäre all die Mühe umsonst gewesen und ich stünde wieder am Anfang. Geht’s dir auch manchmal so?

Dieser innere Kritiker oder Antreiber kann manchmal ganz schön nerven, oder? Gleichzeitig ist er so wichtig und schön, denn hinter ihm steckt eigentlich der Wunsch nach Wachstum, Wirksamkeit und Vorankommen. Er sagt uns, dass wir gerne mehr unsere Werte leben möchten und will uns bekräftigen, nicht aufzugeben und weiter dafür zu gehen, das Leben zu leben, das wir uns wünschen.

Dennoch kann der Gedanke, nicht voranzukommen, sehr frustrierend, vielleicht sogar lähmend sein und genau nicht dazu führen, dass du weiter den Weg gehst, den du gehen möchtest, sondern resignierst. Daher lade ich dich ein, dem Antreiber dankbar zu sein für seine stetige Erinnerung an deine Werte, und gleichzeitig eine Perspektive hinzuzufügen, die dich dabei unterstützt, deine eigenen Erfolge zu sehen und dann auch wieder mit neuer Kraft weitergehen zu können.

Eine solche Perspektive möchte ich dir hier gerne aufzeigen.

Geht wirklich nichts voran?

Ich lade dich ein, dir diese Frage mal genauer anzusehen. Denn Lernen geschieht in Wellen. Wenn wir nur eine Welle sehen, erscheint es uns, als würden wir wieder genau da stehen, wo wir angefangen haben. Wir vergleichen uns mit dem, wie gut es doch neulich war, oder dem, wo wir gerne wären, anstatt das große Ganze im Blick zu haben. Denn herausgezoomt sieht Lernen meiner Erfahrung nach etwa so aus:

Es ist eine aufsteigende Wellenbewegung, bei der wir immer wieder Hochs und Tiefs haben, aber insgesamt immer weiter ansteigen. Außerdem liegen unsere heutigen Ziele oftmals viel höher liegen als die von vor einigen Monaten oder Jahren, denn unsere Ziele wachsen stetig mit uns. Es erscheint, als würden wir keinen Schritt näher kommen, weil das Ziel mit uns ansteigt, dabei haben wir auf dem Weg so viele „alte“ Ziele schon erreicht, vielleicht sogar ohne es zu merken, weil wir nur auf das neue Ziel schauen.

Liz and Mollie illustrate complicated office life | Collater.al
Lass einen schlechten Tag dich nicht davon ablenken, wie viel Fortschritt du gemacht hast.
Quelle: Lizandmollie auf Instagram

Jeder Punkt, an dem wir wieder unten sind, ist kein „Rückschritt“ im Sinne, dass wir wieder in einer „alten“ Welle sind. Es ist ein Teil des Voranschreitens dieser steigenden Sinuskurve. Es muss Tiefs geben, denn sie sind wie ein Schwungholen für ein neues Hoch. Ohne neue Tiefpunkte und Herausforderungen könnte es kein weiteres Lernen geben.

Denk daran, wie du laufen gelernt hast. Du bist so oft hingefallen und jedes Hinfallen war notwendig, um ein bisschen mehr zu lernen, wie du das Gleichgewicht hältst, wie du einen Schritt vor den anderen setzen kannst, wie du deine Bewegungen timen musst und so weiter. Jedes Hinfallen war ein wichtiger Schritt ;).

Schon wieder hier!

Allein der Gedanke „Jetzt bin ich schon wieder hier!“ zeigt doch, dass ich bereits an einem neuen Punkt bin. Ich erkenne die Situation wieder, vielleicht sogar schon in dem Moment selbst, und habe möglicherweise schon Ideen, warum mein Muster hier genau auf diese Art einsetzt. Ich kann anders reflektieren als die Male zuvor und selbst wenn ich es nicht schaffe, in dem Moment anders zu reagieren, kann ich mich besser verstehen als zuvor. Das ist ein großer Fortschritt zu früher und der beste Weg, um immer wahrscheinlicher in der Lage zu sein, anders zu handeln. Ich bekomme immer mehr Überblick, Verständnis, Abstand zu dem Thema und komme mit jedem weiteren Mal ein Stück näher, auch anders reagieren zu können.

Wenn du in einer Situation also voll in dein altes Muster gefallen bist oder den Eindruck hast, du stehst ganz am Anfang, lade ich dich ein, neu hinzusehen.
Diese Fragen können dir dabei helfen:

Wenn du dich an dein Ich vor ein, zwei, drei, fünf Jahren erinnerst, wie warst du da? Wie hättest du da in derselben Situation reagiert?
Wie oft gibt es Situationen, in denen du inzwischen schon anders reagieren kannst?
Konntest du früher dein Verhalten genauso beobachten, verstehen und erkennen wie jetzt?
Hast du genauso lange an der Situation geknabbert wie früher, ehe du sie lösen, klären oder zumindest verstehen konntest? Oder ging es dieses Mal schneller oder einfacher?
Was waren vor ein paar Monaten oder Jahren deine Ziele? Was waren deine Schwierigkeiten? Welche davon hast du bereits gemeistert?
Gibt es andere Lebensbereiche, wo du bereits Fortschritt sehen kannst? Gibt es bereits Bereiche, in denen du anders handelst als früher, mehr deinen Werten entsprechend?

Manchmal, wenn ich die Perspektive wechseln und das große Ganze meiner Entwicklung sehen kann, kann ich mich sogar über scheinbare Rückschritte freuen, weil ich merke, dass ich schon lange nicht mehr so gehandelt habe oder in anderen Situationen bereits anders handeln kann.

Wenn ich beispielsweise Zeiten habe, in denen ich voll überfordert bin mit meinen Gefühlen und alles zu anstrengend ist, schaffe ich es immer öfter, meine Perspektive zu wechseln und mich zu erinnern, dass ich früher ständig in diesem Modus unterwegs war und dass es inzwischen eigentlich ziemlich selten ist und auch gar nicht mehr so lange andauert wie früher. Darüber kann ich mich freuen, auch wenn es vorher schien, als wäre es ein Rückschritt. Ja, gerade bin ich vielleicht an einem tieferen Punkt als ich gerne wäre. Aber:

Ich bin nicht mehr so oft / so lange / so viel / in so vielen Kontexten / so tief in meinem eigenen Scheiß gefangen wie früher!

Und das darf ich kräftig feiern! Und du auch!

Neues Thema, neuer Start

Meine Erfahrung sagt auch: Egal, wie weit ich bereits in einigen Bereichen bin, fange ich bei jedem neuen großen Thema wieder ziemlich von vorne an. ABER: Ich bin den Weg dann bereits viele Male gegangen, kenne mich aus, kenne mich und meine Phasen immer besser, weiß, was ich brauche, was mich unterstützt, habe immer mehr Tools zur Verfügung, immer mehr Anknüpfungspunkte zu anderen Themen und Verhaltensweisen und kann durch all das viel schneller auch dieses neue Thema bewältigen.

Ein persönliches Beispiel: Eifersucht

Ich habe bereits einen guten Umgang mit vielen heftigen Emotionen gefunden. Trauer ist für mich inzwischen nur noch sehr selten schmerzhaft oder unangenehm, die meiste Zeit finde ich sie schön und genieße die Verbindung, die sie mir zu mir selbst bringt. Angst ist mein lieber Begleiter, dessen Beratung ich die meiste Zeit sehr schätze und den ich immer öfter liebevoll Huckepack nehme, wenn ich etwas Neues machen möchte. Wut kann ich oft schon als Energiequelle dankbar annehmen und mich vor allem im Nachgang darüber freuen, wie sie mir geholfen hat, für mich einzustehen und Grenzen zu setzen.

Neu ist die Eifersucht, die in mein Leben getreten ist, seit ich in einer polyamoren Beziehung lebe. Dieses Gefühl hat mich früher fast nie besucht und nun ist es ständig in mir zu Gast. Ich darf wie bei allen anderen Emotionen ganz am Anfang beginnen und habe erst einmal probiert, das Gefühl zu ignorieren, wegzumachen oder mir rational auszureden. Ich habe mich dafür verurteilt, dass es da ist, und bin ich große Not gekommen, wann es in mir auftauchte. Ich bin voll ins Drama gegangen und dachte, ich kann es nicht aushalten, mich so zu fühlen. Genau wie damals bei anderen Emotionen.

Inzwischen bin ich schon in vielen Situationen so weit, dass ich zumindest akzeptieren kann, dass es da ist. Ich verurteile mich seltener dafür, kann es verstehen, weiß, worauf es mich hinweisen will, kenne die Zusammenhänge, kenne seinen Zweck. Ich weiß auch, dass ich bei anderen Emotionen an demselben Punkt war und das macht es mir leichter. Außerdem habe ich beim Beschäftigen mit anderen Themen und Gefühlen viele Tools gefunden, die mir auch bei einem konstruktiven Umgang mit der Eifersucht helfen und die ich nun auch dort einsetzen lernen darf.

Die Eifersucht liebevoll zu betrachten, anzunehmen, ihre Schönheit zu erkennen, sie vielleicht sogar zu feiern – davon bin ich zum jetzigen Zeitpunkt noch ein paar Wellen entfernt. Und auch da merke ich immer wieder Hochs und mehr Gelassenheit, dann wieder Drama und Absturz – und jedes Mal ein bisschen weniger tief als die Male zuvor. Juhuuu! 🙂

Also vielleicht magst du auch einmal genauer hinsehen und das große Ganze ins Blickfeld holen. Bist du wirklich mit allem an derselben Stelle wie vor einigen Jahren? Ist GAR NICHTS vorangegangen? Oder befindest du dich in einem Tief, das eigentlich ein Schwungholen ist für den nächsten, noch höheren Aufstieg als das letzte Mal?

Tipp: Feiern! Laut! Ausgiebig!

Mir hat es unglaublich viel Kraft und Freude gegeben, auch die kleinsten Schritte täglich zu feiern. Ich habe mir selbst einen kleinen „Eid“ geschrieben, wie ich mit mir umgehen möchte. Die letzten Zeilen dieses Eids lauten: „Und ich verspreche mir, dass ich alle Schritte in die Richtung, die ich gehen mag, feiere, und mögen sie noch so klein sein.“

Diesen Eid lese ich mir jeden Tag laut vor und danach rede ich mit mir selbst darüber, was ich bereits am Tag zuvor oder heute an kleinen Schritten geschafft habe und wo ich wieder ein Minibisschen oder mehr vorangekommen bin. Das laute Aussprechen macht einen riesigen Unterschied zu dem klassischen „Schreibe drei Dinge auf, die du wertschätzt“, weil meine Stimme und Haltung dazu führen, dass ich es viel besser spüren kann. Und der Fokus auf mein eigenes Handeln anstatt auf die Dinge, die ich „habe“, hilft mir, meine Selbstwirksamkeit und eigene Kraft zu sehen.

Der Eid hilft mir, mich erst einmal daran zu gewöhnen, meine Stimme laut zu hören, obwohl niemand da ist, und dann beginne ich einen Selbstdialog, in dem mir, umso länger ich in dieser Perspektive auf mein Handeln blicke, mehr und mehr Sachen einfallen, in denen ich bereits vorangekommen bin. Das hilft mir wieder mehr in mehr in meine Kraft, sodass ich mit Freude dranbleiben und weiter durchstarten kann.

Probiere es gerne mal eine Woche lang aus und schreib mir eine Email, wie es für dich war, wenn du magst! Ich freue mich über Feedback, Fragen und Resonanz.

Ich wünsche dir, dass du gütig mit dir (und auch mit deinem inneren Antreiber/Kritiker) sein und euch beide feiern kannst. Denn das Leben kann so schön sein, wenn wir uns dessen Fülle bewusst machen. 🙂

Falls du begleitet mehr lernen magst, dich selbst liebevoll zu sehen, wertzuschätzen und zu feiern oder Unterstützung dabei möchtest, deinen Wellen noch etwas voranzubringen, dann schau doch mal in unser Onlineprogramm.

Vor allem das Thema Selbstliebe oder das Thema Glaubenssätze könnte bei diesem Thema besonders relevant für dich sein.

Wenn du noch mehr über GFK erfahren und sie live erleben möchtest, schau doch mal bei meinen Angeboten vorbei! Ich und andere TrainerInnen von der Akademie Achtsame Kommunikation bieten neben Einzelcoachings noch eine große Vielfalt an Onlineangeboten an – von kostenlosen Schnupperwebinaren über 3-stündige Miniworkshops bis hin zu 6-teiligen Webinaren zu Grundlagen, Vertiefung und tiefes Eintauchen in die eigenen Themen.