Mit Gefühlen wertschätzend umgehen lernen: Dein Toolkit

In diesem Blogartikel möchte ich dir Wege aufzeigen, wie du lernen kannst, mit Gefühlen wirklich konstruktiv umzugehen. Eigentlich braucht es dafür „nur“ drei Schritte: Spüren, beobachten und liebevoll annehmen. Klingt simpel, ist aber aufgrund unserer Sozialisation für die meisten Menschen extrem schwierig.

Hier bekommst du einen Werkzeugkasten und die Hintergründe, die dir dabei helfen, die drei Schritte immer leichter zu gehen und damit einen konstruktiven, liebevollen und nachhaltigen Umgang mit deinen Gefühlen zu finden.

Gefühle wegmachen wollen – ein Relikt aus der Vergangenheit

Als mir im Bezug auf meine Gefühle der Satz gesagt wurde „Nimm deine Gefühle liebevoll an. Alles, was da ist, darf auch da sein!“, war meine erste Reaktion ein heftiges Kopfschütteln und absoluter Widerwillen: „Nein, ich will sie nicht annehmen, ich will, dass sie weggehen!“ – Kennst du solche Reaktionen auf „negative“ Gefühle auch von dir?

Die meisten von uns haben nicht ausreichend gelernt, mit bestimmten Gefühlen wie Wut, Angst und Trauer konstruktiv umzugehen. Wir haben gelernt, sie wegzumachen, sie zu verdrängen oder zu ignorieren und uns abzulenken.

Das liegt an der Art, wie unsere Eltern mit unseren Gefühlen umgegangen sind. Wir haben gelernt: Es gibt Gefühle, die erstrebenswert sind, und Gefühle, die „weg müssen“. Ich lade dich ein, dich zurückzuerinnern: Wie haben deine Eltern reagiert, wenn du geweint hast oder wütend warst?

Ich bin sicher, die wenigsten hier hatten oder haben Eltern, die gesagt haben: „Ist schon gut, du darfst wütend und traurig sein, das ist okay. Ich bin für dich da und wir gehen da zusammen durch.“ Die meisten Eltern versuchen – nach bestem Wissen und Gewissen! –, diese Gefühle ihrer Kinder ganz schnell „wegzumachen“. Sie versuchen, das Kind aufzumuntern („Ach, das geht wieder vorbei!“), es abzulenken („Hier hast du ein Eis!“) es kognitiv zu überreden („War doch gar nicht so schlimm! Das ist doch kein Grund, traurig zu sein!“) oder sie verbieten dem Kind, so zu fühlen („Jetzt ist aber Schluss! Benimm dich!“).

Wie gehst du selbst mit dir um, wenn du Wut, Trauer oder Angst empfindest? Reagierst du liebevoll und annehmend oder versuchst du, sie möglichst schnell loszuwerden?

Ich glaube, die meisten haben von ihren Eltern übernommen, viele Gefühle kognitiv runterzuspielen, sie sich auszureden, sie zu verdrängen, sie zu ignorieren, sich eben wie „gute Erwachsene“ nicht von Gefühlen, sondern der Vernunft leiten zu lassen. Und das hat dazu geführt, dass viele nicht in der Lage sind, sich konstruktiv mit bestimmten Gefühlen auseinanderzusetzen und dann öfter von ihren Gefühlen überrumpelt werden oder unter psycho-somatische Beschwerden leiden, weil sie ihre Gefühle zu lange verdrängt haben.

Viele Menschen sind auch der Meinung, ein Opfer von Umständen oder anderen Leuten zu sein und geben damit die Verantwortung über ihre eigenen Gefühle und damit die Macht, die sie über ihr eigenes Leben haben, aus der Hand.

Mehr zum Thema Verantwortung über Gefühle und dazu, wie sie entstehen, findest du hier:

Folge 9: Wie entstehen Gefühle? – Ursache, Auslöser und Verantwortung

Wie also geht dieses „fühlen und liebevoll annehmen“?

Um das zu tun, braucht es eine wertschätzende Haltung den eigenen Gefühlen gegenüber. In diese Haltung zu kommen, braucht vor allem Zeit und Geduld. Wie viele Jahre lang hast du jetzt in den alten Gedankenmustern gelebt, dass es gute und schlechte Gefühle gibt und die schlechten ganz schnell weggehen sollen? Es braucht eine Weile, bis dein komplettes System verstanden hat, dass Gefühle niemals schlecht sind, sondern deine Freunde, die dir wichtige Hinweise darauf geben, was du brauchst und was gerade wichtig ist, um dein Leben zu schützen und erfüllend zu gestalten.

Mehr dazu, wozu Gefühle da sind und warum sie immer wichtig und FÜR dich sind (nicht GEGEN dich!), erfährst du hier:

Folge 7: Gefühle – universelle Wegweiser zu unseren Werten (Blog)

Dasselbe gibt es auch als Podcast!

Folge 7: Gefühle – universelle Wegweiser zu unseren Werten (Podcast)

Da ich denke, dass kognitives Verstehen alleine nicht ausreicht, um wirklich nachhaltig etwas zu verändern, sondern es wichtig ist, in die Umsetzung zu kommen, habe ich dir hier einige Meditationen für die drei Schritte (spüren, beobachten, annehmen) verlinkt, mit denen du deinen konstruktiven, wertschätzenden Umgang mit Gefühlen nachhaltig einüben kannst.

Sie sind keine Universallösung, die du wie eine Bauanleitung einfach befolgst und dann den perfekten Umgang mit Gefühlen hast. Sie sind eher verschiedene Werkzeuge, die du nutzen kannst, um immer mehr in die Haltung der Selbstannahme zu kommen.

Mache die Übungen, die für dich passend sind, immer und immer wieder, vor allem auch in ruhigen Momenten. Umso öfter du sie machst, desto leichter wird es, auch in emotional sehr herausfordernden Situationen zu lernen, in diese Haltung zu gelangen.  Umso mehr du atmest und spürst, desto mehr vergrößerst du den Raum zwischen Reiz und Reaktion. Und umso mehr du übst, desto wahrscheinlicher ist es, dass es ins Unterbewusstsein übergeht und auch in Notsituationen zur Verfügung steht.

Letztendlich geht es vor allem darum, tiefgehend zu verstehen,

  • dass Gefühle da sein dürfen,
  • sie keine Berechtigung brauchen,
  • sie immer okay sind und
  • sie dir helfen, zu überleben und deinen grundlegendsten, wundervollen Werten entsprechend zu handeln.

Am meisten Sinn macht es aus meiner Sicht, dich wirklich intensiver mit GFK zu befassen und mit Menschen zu umgeben, die die Haltung der GFK leben. Welche Möglichkeiten ich dir dazu bieten kann, erfährst du am Ende des Blogartikels.

Nun aber kommen wir zum ersten Schritt für einen konstruktiven, wertschätzenden Umgang mit Gefühlen:

1. Wieder spüren lernen

Zu allererst ist es wichtig, dass du wirklich lernst, dich selbst wieder zu fühlen. Es gibt verschiedene Tools, die dir dabei helfen können, aber letztendlich geht es vor allem darum, dass du dir möglichst oft die Zeit nimmst, einfach nur zu fühlen. Das heißt, den Blick nach innen richten, atmen, und bewusst wahrnehmen, was in deinem Körper so alles passiert.

Dafür kannst du mehrmals täglich eine kurze Übung machen, die dir hilft, dich klarer zu spüren, deine Achtsamkeit nach innen zu richten und bewusst durch dein Leben zu gehen :

3 Minuten Achtsamkeit

Um deine Gefühle zu spüren und in dir anzukommen hilft dir dein Atem: Tief und lang atmen, bewusst spüren und beobachten, wie sich dein Bauch hebt und senkt, wie die Luft zur Nase ein- und ausströmt. Umso öfter du das machst, desto besser lernst du, dich zu spüren und deine Achtsamkeit nach innen zu richten und bewusst durch dein Leben zu gehen.

Grundlegend ist die Übung sehr einfach und du kannst sie jederzeit machen. Ich empfehle dir, sie immer wieder in deinen Alltag einzubauen und Routinen zu entwickeln, dich selbst besser spüren zu lernen. Stell dir zum Beispiel unregelmäßige Wecker oder nutze eine App wie z. B. Mindbell, die irgendwann klingelt und dich daran erinnert, in deinem Alltag kurz innezuhalten und zu spüren.

Wenn du dir schwer tust, deine Gefühle zu spüren, kann dir auch diese Übung hilfreich sein:

Bodyscan

Dabei spürst du deinen Körper von oben bis unten ab und kriegst wieder mehr Gefühl dafür, was gerade da ist. Diese Meditation dient dazu, einen bewussten Schritt aus deinen Gefühlen heraus zu treten, dich klarer zu spüren und zur Ruhe zu kommen.

Du kannst außerdem die Gefühlsliste nutzen, um deinen Gefühlswortschatz zu erweitern

So lernst du, noch nuancierter zu erfassen und zu beschreiben, was gerade in dir vor sich geht. Und gleichzeitig reicht es oft, die Körperempfindungen wahrzunehmen, also bspw. es ist warm, eng, schwer, leicht, es brodelt, es fühlt sich hart an usw.

Wenn du unsicher bist, was genau Gefühle und was Gedanken sind, kann dir dieser Blogartikel helfen, eine klarere Unterscheidung zu finden.

Folge 8: Gefühle und Gedanken unterscheiden

2. Neugierig beobachten

Im zweiten Schritt geht es darum, unsere Gefühle zu beobachten, ohne sie zu verstärken oder kleinzureden. Wir erklären sie weder für falsch noch für richtig. Wir beobachten einfach nur, was in unserem Körper passiert. Uns in eine kindliche Neugierde zu versetzen und die Faszination der Gefühle anzuerkennen, hilft dabei, dass wir uns nicht in unser eigenes Drama oder unsere Gefühle hineinziehen lassen.

Um wirklich zum neugierigen Beobachter zu werden, kann dir die Übung helfen, die ein enger Kollege von mir, Christian Hinrichsen, gerne macht:

Mit dem Körper in Achtsamkeit verbunden sein

Folgende oder auch ganz ähnliche Sätze helfen mir dabei, eine neugierige, offene Haltung zu bewahren, selbst wenn ich die Gefühle nicht verstehen kann:

  • Ist ja spannend, was da alles so in mir ist!
  • Wow, wie schnell sich da was verändert!
  • Hui, da ist ganz schön was los in mir!
  • Gerade fühle ich so gar nichts, auch mal interessant!
  • Ach, interessant, das Gefühl kenn ich schon ganz gut und das ist ganz neu!

Mir hilft es, mir wirklich vorzustellen, wie ich eine außerirdische Forscherin bin, die in einen menschlichen Körper „gebeamt“ wurde und nun zum erstem Mal erfährt, wie es sich anfühlt, ein Mensch zu sein. Ich bin dann ganz neugierig darauf, wie sich verschiedene Gefühle anfühlen und alles, was ich im Körper entdecken kann, ist für mich spannend und interessant. Diese Vorstellung darf auch gerne Spaß machen und witzig sein. 😉

3. Gefühle liebevoll annehmen

Der letzte Schritt ist es, die Gefühle wirklich anzunehmen und ihnen liebevoll zu begegnen. Das bedeutet, alles, was gerade in deinem Körper ist, als Freund zu erkennen und wertzuschätzen für das, was dieses Gefühl dir sagen möchte. Letztendlich ist es dafür da, DICH zu schützen und DIR die Chance zu geben, DEIN Leben schöner und reicher zu machen.

Die eigenen Gefühle und alle inneren Anteile liebevoll anzunehmen ist die absolute Königsdisziplin in der Gefühle-Arbeit und diese Übung soll dir dabei helfen, dir selbst gegenüber in eine wertschätzende Haltung zu kommen.

Dieser Schritt war für mich der wesentliche Schritt, um einen konstruktiven Weg mit meinen Depressionen und meinen sehr starken und oft schwankenden Gefühlen zu finden. Wenn die Gefühle fließen dürfen und wir bereit sind, ihre Botschaft zu hören, bleiben sie oft nur wenige Sekunden lang im Körper und zurück bleibt eine tiefe Verbundenheit und die Klarheit, das eigene Leben bewusster nach den eigenen Werten zu gestalten.

Ich habe dir eine Meditation aufgenommen, die dir helfen soll, alle Gefühle und inneren Anteile als Freunde zu erkennen, sie wertzuschätzen und die wunderschönen Botschaften zu erkennen, die sie für dich bereithalten:

Gefühle wertschätzend annehmen

Wenn du diese Übung regelmäßig als Nachbereitung für schwierige Situationen machst, dann wirst du merken, dass du auch in akuten Situationen immer mehr daran denkst, dass alles in dir sein darf, und du immer konstruktiver mit deinen Gefühlen umgehen kannst.

Ich nutze sie oft in Coachings, da ich sie als die wesentlichste Übung der Gefühlsarbeit betrachte. Meine Erfahrung zeigt, wenn Menschen es schaffen, ihre Gefühle liebevoll anzunehmen, kehrt in ihnen tiefer innerer Frieden, eine große Ruhe und starke Klarheit ein, die sehr viel Kraft spendet und nachhaltig etwas verändert.

Wenn du Schwierigkeiten damit hast oder Angst bekommst, kannst du vorab eine Übung machen, dir mir persönlich sehr geholfen hat:

Wurzelübung

Dabei erdest du dich und fühlst dich vielleicht sicherer, dich auf deine Gefühle einzulassen, weil du sie nicht alleine tragen musst.

Ich nutze diese Übung gerne, wenn meine Gefühle mich „überwältigen“ und ich es nicht mehr schaffe, aus der Identifikation mit den Gefühlen in eine bewusste BeobachterInnenposition zu kommen. Die Übung beruhigt mich, stärkt mich und hilft mir, mich zu erden. Ich spüre dadurch wieder Sicherheit, Verbundenheit und Halt, was mir ermöglicht, mich mit mehr Kraft und Klarheit Gefühlen, Gedanken, Situationen oder Menschen zu stellen.

Tiefer innerer Frieden

Das Thema Gefühle liegt mir besonders am Herzen. Warum das so ist, liegt vor allem an meiner Geschichte.

Ich habe so lange so massiv unter meinen Gefühlen gelitten und die starken Depressionen waren kaum auszuhalten. Ich war ständig in der Abwärtsspirale und habe den Eindruck gehabt, überhaupt keine Kontrolle über mein Leben zu haben. Ich fühlte mich machtlos und als Opfer meiner Gefühle und war ihnen hilflos ausgeliefert – so dachte ich jedenfalls.

Und auch heute noch überkommen mich häufig intensive, oft auch widersprüchliche und stark schwankende Gefühle – oftmals auch etwas, das ich als depressive Schübe bezeichnen würde. Die Intensität sowie die Dauer und die Häufigkeit haben durch die Beschäftigung mit der GFK etwas nachgelassen. Aber der wesentlichste Unterschied ist der, dass ich mich nicht mehr dagegen sträube, sondern sie weitestgehend liebevoll annehmen und sie nutzen kann, um daraus Kraft zu ziehen.

Ich kann inzwischen Trauer oftmals wirklich genießen und spüre diese tiefe, unendlich erfüllende Verbindung zu mir selbst, wenn ich es schaffe, meine Gefühle anzunehmen. Diesen friedlichen Flow, dass Gefühle einfach kommen und gehen dürfen, und ich bereit bin, sie zu empfangen und dann wieder loszulassen, wenn sie gehen wollen.

Manchmal beobachte ich, wie meine Tränen fließen, freue mich über meine Lebendigkeit und ehe ich wirklich Hallo sagen konnte, ist die Trauer schon wieder vergangen und ich fühle mich warm, wohlig und erfüllt.

Ich finde es erstaunlich, wie schnell (manchmal in wenigen Sekunden) sich Gefühle verändern, wenn wir sie wirklich annehmen, und wie lebendig es sich anfühlt, wenn wir mit diesem Fluss gehen können, anstatt ihn zu stauen oder in unnatürliche Formen drücken zu wollen. Ich spüre immer wieder, wie schnell sich etwas verändert, wenn ich nicht mehr krampfhaft versuche, es zu verändern, und welche unendliche Kraft freigelegt wird, wenn ich bereit bin, mich auf meine Gefühle einzulassen.

Am Ende kehrt ein tiefer innerer Frieden, eine große Ruhe und eine starke Klarheit ein, die sehr viel Kraft spendet und wirklich nachhaltig etwas verändert.

Ich merke auch, wie viel mehr ich das Leben lebe, das ich mir gewünscht habe, ohne es zu forcieren. Wie viel mehr in Einklang ich mit mir selbst bin und wie viel glücklicher und zufriedener ich die meiste Zeit bin, unabhängig von dem, was im Außen passiert. Meine Gefühle sind zur unendlichen Kraftquelle in mir selbst geworden, die ich inzwischen nutzen kann, um mein Leben aktiv und selbstbestimmt zu gestalten. Und ich möchte Menschen dabei unterstützen, dasselbe zu erfahren.

Unterstützung holen

Für manche Menschen kann es schwierig oder beängstigend sein, sich den eigenen Gefühlen und inneren Anteilen zu stellen und alleine zu lernen, konstruktiv mit Gefühlen umzugehen. Dann macht es Sinn, sich Unterstützung von jemandem zu holen, der liebevoll und empathisch da ist und mit dir zusammen einen Raum eröffnet und hält, in dem deine Gefühle sein dürfen.

Wenn du Unterstützung dabei möchtest, in dein Inneres zu blicken und deine Gefühle zu fühlen, kannst du dich bei mir melden. In meinen Coachings leite ich Menschen sehr gerne an, sich selbst zu spüren und in tiefe Verbindung mit ihrer eigenen Weisheit zu kommen.

Hier kommst du zum Coaching

Um eine Haltung von Wertschätzung und Empathie für sich selbst und andere zu entwickeln, ist aus meiner Sicht die intensive Beschäftigung mit der Gewaltfreien Kommunikation extrem hilfreich. Auch, sich mit Menschen zu umgeben, die bereits in einer liebevollen GFK-Haltung sind, ist äußerst wirksam.

Wenn du dich damit beschäftigen magst, schau gerne mal bei meinen Angeboten vorbei – vieles ist auch online und bei den „Schnubbinaren“ hast die Möglichkeit, kostenlos reinzuschnuppern.

Meine Angebote

Ich wünsche mir von Herzen, das, was ich gelernt habe, an andere weiterzugeben, weil das zu einer Welt beiträgt, nach der ich mich sehne. Eine Welt, in der wir wieder mehr mit unserem Herzen verbunden sind, in tiefe Liebe mit uns selbst und miteinander kommen und den unendlichen Schatz heben können, der in unseren Gefühlen verborgen liegt.